Darkyn: Im Bann der Träume (German Edition)
ging.
Thierry wartete eine lange Zeit, bevor er zurück ins Zimmer ging. Er musste sicher sein, dass er ihr nicht geschadet hatte, und führte seine eigene Untersuchung durch. Jema schlief tief, aber ihr Puls war stark, und sie bewegte sich unruhig, als er ihren Namen sagte. Wäre sie hörig gewesen, dann hätte sie sich überhaupt nicht mehr bewegen können.
Er hatte sie nicht umgebracht. Sie würde einen weiteren Tag leben.
Sie zu verlassen, zerriss ihm das Herz, aber Thierry ging zurück auf den Balkon, wo er den Schnee ansah, der um ihn herum fiel. Er war nicht jagen gewesen, bevor er nach Shaw House kam. Als er kam, war sie noch wach gewesen und hatte gelesen, also war er im Schatten geblieben und hatte darauf gewartet, dass sie einschlief.
Die langen Stunden, die Kälte und das fehlende Blut hatten stattdessen Thierry in einen unruhigen Schlaf fallen lassen.
Wie war sie in seinen Albtraum eingedrungen? Menschen hatten keine Gabe; sie konnte das Traumreich nicht aus eigenem Willen betreten. Doch irgendwie war es ihr gelungen – oder er hatte sie hineingelockt. Er war ein Narr gewesen, weil er nicht gemerkt hatte, dass es im Schlachthaus Jemas Bewusstsein gewesen war und nicht seine Fantasien über Jema. Nein, er war zu sehr damit beschäftigt gewesen, die Gelegenheit zu nutzen, ihr alles zu erzählen.
Also hatte er es ihr erzählt. Er hatte ihr von seiner toten Frau erzählt, von seinem verlorenen Glauben, von dem Kyn-Fluch, mit dem er lebte – seinen Namen; er hatte ihr seinen Namen gesagt. Alles das, was sie nicht über ihn wissen durfte, war aus seinem Mund gekommen. Thierry war überrascht, dass er ihr nicht auch noch die Nummern zu all den Konten genannt hatte, die er weltweit besaß.
Irgendwann während des Traums hatte sein schlafender Körper den Balkon verlassen und war in ihr Zimmer gegangen. Das war der Zeitpunkt, zu dem sich der Traum geändert und der Blutrausch ihn überkommen hatte. Er hatte erneut ihr Blut getrunken und sie dabei fast getötet. Es war nur pures Glück gewesen, dass Bradford rechtzeitig gekommen war.
Thierry verließ den Balkon auf die übliche Art und ging zurück zum Haus der Nelsons, aber nur, um seine Waffen und seine anderen Sachen zu holen. Diesmal war er zu weit gegangen mit Jema, und er konnte nicht zurück. Er konnte sich nicht mehr trauen. Nicht, wenn seine Gefühle für sie sie beinahe getötet hatten.
Er liebte sie. So sehr, dass er ihr beinahe hörig war.
Vor fünfhundert Jahren hätten diese Gefühle Thierry dazu verführt, Jema mit seinem Blut in seine Sygkenis zu verwandeln – etwas, das er bei Angelica nie hatte tun können, da sie selbst als Kyn zurückgekehrt war, genau wie er –, aber jetzt brachte der Fluch Menschen nur noch um.
Wie hatte sie das geschafft? Jema hatte sein Herz auf die merkwürdigste Weise gewonnen. Nicht durch Leidenschaft, sondern im Angesicht seiner Wut, als er ihr jeden geheimen, abstoßenden Teil von sich in den Blutträumen offenbart und sie sich nicht von ihm abgewandt hatte. Sie hatte ihn umarmt. Sie hatte sich ihm angeboten. Sie hatte sogar gelacht. Doch als er versucht hatte, sie zu trösten, indem er ihr sagte, dass er sie nicht allein sterben lassen würde, erst da hatte sie ihn zurückgewiesen.
Wenn das keine Liebe war, dann wollte Thierry nicht wissen, was es war.
Ihre Hände, ineinander verschränkt, die zusammen bluteten. Er blickte auf seine Finger und drehte die Handfläche, erwartete beinahe, ihr Blut darauf zu sehen. Er verstand nicht, was das bedeutete – vielleicht gar nichts –, aber es hatte sich angefühlt wie eine Segnung. Als hätte etwas, das größer war als er und Jema, ihrer Liebe den Segen gegeben.
Was für ein Gott stellte einer sterbenden Frau einen verfluchten Dämon zur Seite? War es eine Strafe für ihn, für sie? Dass Gott ihr so etwas antun könnte, weckte den Wunsch in ihm, den Allmächtigen selbst herauszufordern. Was immer Thierry für seine Sünden als Sterblicher verdient hatte, Jema Shaw war unschuldig. Sie hatte ihn nicht verdient.
Es entbehrte nicht einer gewissen Ironie. Thierry hatte sich immer Liebe gewünscht. Im Herzen des Kriegers war immer der verzweifelte Wunsch nach Frieden gewesen, nach Sanftmut und Freundlichkeit. Nach einem glücklichen Leben mit einer Frau an seiner Seite. Einer Frau wie Jema. Er hatte seine Liebe an eine Frau verschwendet, die sie benutzt hatte, um ihn zu zerstören und in den Wahnsinn zu treiben. Er hatte beinahe die Frau zerstört, die ihn aus
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