Darkyn: Ruf der Schatten (German Edition)
nickte. »Ich erinnere mich daran, wie der aus Japan hergebracht wurde .«
Sie sah ihn verwirrt an. »Ich bin sicher, dass Sie in den 1930er- Jahren noch keine Kamelien gezüchtet haben, Mr Jaus .«
»Natürlich nicht. Ich muss sie mit einer anderen Art verwechselt haben .« Er würde aufpassen müssen, was er sagte; sie wusste über seine Lieblingsblumen mehr, als er dachte. »Ich habe mich gewundert, warum Sie vorne vor der Einrichtung ein Beet mit Veilchen angelegt haben. Ich habe selbst keine, aber ich dachte, diese Art bräuchte Schatten .«
»Das sind Pfingstveilchen « , erklärte sie ihm. »Sie stammen aus Illinois und sind sehr robust. Sie gedeihen in jedem Licht. Ich dachte, Veilchen wären besonders freundlich zu Patienten und Besuchern .«
Er war amüsiert. »Sie reden über Blumen, als wenn sie eine Persönlichkeit hätten .«
»Ich glaube, das haben sie auch, auf ihre Art « , erwiderte sie. »Veilchen riechen süß und sehen friedlich aus, während Zinnien mit ihren bunten Farben kraftvoller und protziger wirken. Und Sie können mir keine Rose zeigen, die bescheiden und unscheinbar ist .«
Er fand ihre Ansichten bezaubernd. »Was ist mit Kamelien? Wie ist deren Persönlichkeit ?«
»Sie sind elegant und leidenschaftlich. Resolut « , fügte sie hinzu. »Kamelien zögern nie. Sie bringen eine gewisse Präsenz in jeden Garten, in den ich sie pflanze .«
»Erzählen Sie mir von Ihrem ersten Garten .«
»Er war in Chinatown, am Haus einer Freundin. In der Stadt gibt es kaum Platz, deshalb stellte ich Pflanzkübel um die kleine Terrasse und den schrecklichen Rosenbusch, den sie versuchte, am Leben zu erhalten .« Sie schüttelte den Kopf. »Ich wählte die völlig falschen Pflanzen aus, und die Hälfte davon ging nach ein paar Wochen ein. Aber es machte Mrs Chen glücklich. Sie verbrachte Stunden draußen, saß da und beobachtete die Vögel und Schmetterlinge, die kamen .«
»Und wie ist es dem schrecklichen Rosenbusch ergangen ?«
»Wunderbar, obwohl er wirklich nicht so aussah « , erklärte sie. »Als ich ihn das erste Mal sah, dachte ich, er wäre tot; er hatte ganz hässliche knorrige braune Äste. Mrs Chen bestand darauf, dass er blühen würde, also wartete ich den ganzen Frühling über. Es wuchsen ein paar Blätter, die sofort braune Flecken bekamen. Ich beschnitt einen Stock, und er starb ab. Ich glaube, das hat er absichtlich gemacht .«
Valentin war amüsiert. »Ich habe noch nie von einem selbstmordgefährdeten Rosenbusch gehört .«
»Mrs Chen meinte, er würde es nicht mögen, wenn man ihn anfasst « , erklärte sie ihm. »Es war schon Sommer, als er endlich Knospen bekam, und es wurden nur zwei kleine Blüten .«
»Bekamen die auch Flecken ?«
»Nein. Es waren aprikosenfarbene Blüten mit nur ganz wenig Gelb unten an den Blütenblättern. Die Art von alter Rosensorte, die man gar nicht mehr findet. Sie blühten so langsam auf, dass sie fast zwei Wochen brauchten, bis sie sich geöffnet hatten, und ihr Duft war anders als der jeder Rose, die ich jemals gepflanzt habe .« Sie dachte einen Moment nach. »Ich kann es nicht richtig beschreiben, aber er war stark und weich und so köstlich. Überhaupt nicht wie der Duft von Rosen; eher wie Seide und Früchte und die Art, wie Sonnenlicht die Luft nach einem Regenschauer wärmt. Man wollte am liebsten stundenlang die Nase in ihnen vergraben .«
Ihre Lippen formen die Worte auf so hübsche Weise, wenn sie spricht, dachte er abwesend. Und der Rosenduft, den sie beschrieb, klang genauso, wie ihr Körper für ihn roch. »Hatte Ihre Freundin die Rose gepflanzt ?«
»Nein, sie behauptete, sie habe sie bereits vom Vorbesitzer übernommen. Sie schob gerne alles auf den Vorbesitzer .« Ihre Augen funkelten schelmisch. »Sie hat das Haus Ende der 1930er- Jahre gekauft, also wäre das vermutlich der älteste Rosenbusch in der Stadt .«
Valentin fragte sich, warum sie von ihrer Freundin sprach, als wäre sie ein Elternteil, ihre eigene Familie jedoch überhaupt nicht erwähnte. »Wurden Sie in San Francisco geboren ?«
»Nein .« Sie sah ihn weiter direkt an. »Ich bin aus Taiwan .«
Trotz ihrer Körpersprache merkte Valentin sofort, dass sie nicht ganz aufrichtig zu ihm war. Seine Kyn-Sinne ließen ihn die subtilen Veränderungen wahrnehmen, die Stress im Duft eines Menschen verursacht, und er hatte gelernt zu erkennen, wann man nicht ehrlich zu ihm war.
Aber warum sollte sie ihn hinsichtlich ihres Heimatlandes belügen?
»Ich habe mit
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