Darkyn: Ruf der Schatten (German Edition)
sieben Kilometer in die Richtung .« Sie deutete nach Westen.
Kyan mochte es nicht, wie sie mit ihm redete. Sie war zu forsch, zu wenig respektvoll. Sie gab Informationen zu willig preis. Ihr Lächeln war zu entspannt. Und ihre Brüste waren definitiv zu groß.
»Okay, dann willst du also nichts mit mir trinken gehen. Alles, was ich sonst noch zu bieten habe, sind die da .« Sie hob einen Plastikeimer mit einer brodelnden rosa Masse. »Die Jungs sagen, dass die Fische draußen im See zurzeit gut beißen. Wir verleihen auch Angelausrüstungen .«
»Nein, danke .« Er würde sie lesen müssen, und dafür musste er sie berühren. »Wie ist dein Name ?«
»Melanie Wallace .« Sie schob erneut die Schultern zurück. »Meine Freunde nennen mich Mel. Und wie heißt du ?«
»Ich bin Lí Kyan .« Er streckte ihr die Hand durch das offene Fenster entgegen.
Das Mädchen ergriff sie verlegen, als wäre sie eine solche höfliche Geste nicht gewöhnt. »Bist du, also, ich meine, immer so steif mit Leuten, oder ist das heute einfach dein erster Tag in Amerika ?«
Kyan konnte nichts aus der ganz leichten Schweißschicht auf ihrer Haut erfahren; sie gehörte zu jenem kleinen Prozentsatz von Leuten, die er nicht lesen konnte. Nicht dass die Gedanken der Studentin von besonderem Interesse für ihn gewesen wären. Sie sprach jedoch Englisch und Chinesisch, und sie war Amerikanerin. Sie würde für ihn sprechen und ihm Dinge erklären können.
»Ich brauche einen Übersetzer « , sagte er und hielt weiter ihre Hand fest. »Würdest du heute mit mir mitfahren ?«
»Ich kriege sechs fünfzig die Stunde, dafür, dass ich hier in diesem Schwitzkasten sitze .« Sie blickte auf den Eimer mit Würmern. »Zahlst du mir sieben ?«
Er ließ ihre Hand los, nahm ein paar Scheine aus der Rolle in seiner Tasche und reichte sie ihr.
»Großer Gott .« Sie riss die Augen auf, aber dann schüttelte sie den Kopf, öffnete die Seitentür des Häuschens und trat zu ihm auf den Anleger. »Hier .« Sie reichte ihm fast alle Scheine zurück. Als er sie verständnislos ansah, fügte sie hinzu: »Du hast mir gerade tausend Dollar gegeben, Alter. Ich würde, na ja, ’ne Ewigkeit für dich arbeiten müssen, um so viel zu verdienen .« Sie klimperte erneut mit den Augenlidern. »Es sei denn, du möchtest, dass ich noch etwas anderes mit meinem Mund mache .«
Kyan betrachtete sie und versteckte seinen Widerwillen. Sie war ungefähr dreißig Zentimeter kleiner als er und trug ein dünnes weißes T-Shirt mit Knopfleiste, auf das der Name ihrer Universität gedruckt war. Die kurze rosa Hose, die sie trug, war hauteng und ging ihr nur bis zu den Knien. Ihre Füße steckten in Zehensandalen, und man sah die gelben und rosafarbenen Blumen, die auf ihre Fußnägel gemalt waren. Ihre Brüste wippten frei unter dem Shirt, und die Schatten ihrer Nippel waren klar darunter erkennbar.
Wenn sie in China gewesen wären, dann wäre sie verhaftet worden. Er sagte ihr das.
»Wirklich ?« , fragte sie und nahm absichtlich eine provokante Pose ein. »Denkst du, es würde sich ein süßer chinesischer Bulle finden, der mich filzt? Würden die mich ausziehen, um mich zu durchsuchen ?«
»Das ist nicht lustig .« Genauso wenig wie die Tatsache, dass er für den Rest des Tages das Bild vor sich sehen würde, wie seine eigenen Hände ihr die Kleider von ihrem unverschämt gesunden amerikanischen Körper rissen.
»Komm schon, Alter, das war doch nur ein Witz .« Ihre Brüste bebten, als sie lachte. »Wie kann ein so süßer Kerl wie du nur so verspannt sein ?«
»Mein Name ist Kyan, nicht ›Alter ‹« , erklärte er ihr. »Kommst du mit mir ?«
Sie ging zurück in das Häuschen, steckte ihre Bücher in einen großen Stoffbeutel, kam wieder raus und schloss die Tür mit dem Fuß. Ein gewinnendes Lächeln zauberte Grübchen auf ihre Wangen. »Gehen wir .«
11
»Richard Gere hatte recht « , murmelte Alexandra, als Valentin Jaus’ Fahrer die Jardin -Limousine vorsichtig durch das komplizierte Netz des Innenstadtverkehrs lenkte. »Wenn ich sterben muss, dann auf Chicagoer Beton .«
Wieder in der Stadt zu sein, machte Alex fertig. Sie hatte akzeptiert, dass sie niemals in das Leben zurückkonnte, das sie als menschliche plastische Chirurgin geführt hatte, nicht solange sie noch kein Heilmittel gegen den Kyn-Erreger gefunden hatte. Vorausgesetzt, dass es überhaupt eines gab. Wie die letzten Tests mit der Hitze gezeigt hatten, konnte man den Erreger, der für ihre
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