Darling, fesselst du schon mal die Kinder?: Das heimliche Tagebuch der Edna Fry
erschütterndem Sodaflaschenunfall«, »Ortsansässiger von Ozelot angegriffen«. Ich frage mich, wer dieser unglückselige Pechvogel gewesen sein mag. Ich verbrachte eine sehrvergnügliche Stunde über all den Geschichten von Tod und Zerstörung, aber bei meiner eigentlichen Suche half mir das leider nicht weiter. Mrs. Blessed regte an, die örtlichen Kirchenbücher könnten von Nutzen sein, also werd’ ich im Lauf der Woche mal hingehen. Vielleicht kann ich da mehr in Erfahrung bringen.
2. März, Mittwoch
War zu einem Pläuschchen bei Mrs. Biggins. Wollte doch mal sehen, wie sie sich macht. Ihre Schönheitsoperation ist zwar übel verkorkst worden, aber dafür ist ihr das Lachen nicht vergangen.
3. März, Donnerstag
Bin bei der St. Barnabas’ Church vorbei, die jetzt mit dem Slogan »Wann wird’s mal wieder richtig Sonntag?« um neue Mitglieder wirbt. Hochwürden Timberlake unterbrach kurz seine Übungen mit den Chorknaben und zeigte mir das Kirchenregister. Das war ein riesiger, in Leder gebundener Foliant, dessen Einträge bis ins Mittelalter zurückreichten. Ich überflog die ledrigen Seiten, aber dabei kam nichts und niemand heraus außer Hochwürden Timberlake, der mich mit einem Chorknaben verwechselt hatte. Niedergeschlagen stapfte ich nach Hause, keinen Deut weiser, wenn auch etwas wachsamer.
4. März, Freitag
Ich muss zugeben, ich bin ratlos. Ich habe vorgeschlagen, dass Stephen und ich uns bei der Fernsehsendung
Don’t You Know Who I Am?
bewerben, aber Stephen sagt, das ist nur für Promis, die was über ihre Vorfahren herausfinden wollen, nicht für einen einfachen Fensterputzer und seine Frau. Am Rande der Verzweiflung, hab’ ich versucht, im Internet fündig zu werden. Blöderweise hat Stephen wieder mal das Passwort für den Computer geändert – keine Ahnung, warum. Ich finde ja, in einer Ehe sollte Vertrauen das Wichtigste sein und nicht das Essen. Sein Passwort herauszufinden war dann schwieriger, als ich gedacht hätte. Ich tippte alles ein, was auf der Hand lag – Bier, Karaoke, Kebab – Fehlanzeige. Ich hab’s sogar mit den Namen unserer Kinder versucht – oder jedenfalls denen, die mir noch einfielen –, alles für die Katz. Ich wollte schon aufgeben, als mir plötzlich die zündende Idee kam: Wagner! Natürlich! Ich tippte es ein, und schon erwachte der Bildschirm zum Leben. Ich Dummerchen. Wie konnte ich nur vergessen, wie sehr er seinerzeit
Hart, aber herzlich
mochte.
Nach mehreren Stunden ergebnisloser Suche stieß ich endlich auf eine Art Genealogie-Website. Buddelomiaus.com war total hilfreich. Gegen Vorauszahlung schicken die einem den eigenen, einzigartigen Familienstammbaum, gedruckt je nach Wahl auf einer echten Reproduktion elisabethanischen Pergaments oder einem Trockentuch. Endlich hab’ ich das Gefühl, ich komm’ voran!
5. März, Samstag
Stephen ist ja so süß – immer sagt er »ich liebe dich«. Nicht zu mir, sondern zur Frau im Wettbüro, aber trotzdem …
6. März, Sonntag
Haben den Vormittag mit den Sonntagszeitungen im Bett verbracht. Stephen und ich teilen sie immer auf – ich mag die Seiten über Reisen, Kultur, Nachrichten und Frauen, und Stephen mag das Ressort TV-Stars steigen in Miniröcken aus Autos aus.
7. März, Montag
Wir hoffen inständig, dass das Baby heute laufen lernt. Wenn nicht, müssen wir nämlich zum Supermarkt zurückfahren und es abholen.
8. März, Dienstag
Wie aufregend! Der Briefträger hatte ein Päckchen für mich. Ich riss es auf und hielt mein Stammbaumtrockentuch in der Hand! Alles stand da geschrieben – die über Jahrhunderte zurückreichende Geschichte meiner Familie auf saugfähigem Polyester-Baumwoll-Mischgewebe. Welch eine Offenbarung! Ehrfürchtig buchstabierte ichall die Namen. Ich hatte ja keinen blassen Schimmer, dass ich mit so vielen historischen Berühmtheiten verwandt bin. Na warte, wenn das Mrs. Norton und Mrs. Winton zu sehen kriegen! Laut diesem Dokument ist meine einzige lebende Verwandte traurigerweise Großtante Audacia. Aber dafür liegt ihr Pflegeheim gar nicht weit entfernt. Ich muss sie so bald wie möglich besuchen! Ich bin schon ganz ungeduldig. Ich fahre am Montag. Da kostet der Bus nur die Hälfte für Frauen, die nicht mehr die Jüngsten sind.
9. März, Mittwoch
Stephen ist zu seiner CD
Klänge des Regenwalds
eingeschlafen. Er fand das Rauschen der Kettensägen schon immer beruhigend.
10. März, Donnerstag
Creative Writing ist wieder ausgefallen.
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