Darling, ich bin deine Tante Mame! - Roman
meinem Zwerchfell schlug so stark, dass ich keinen Ton herausbekam, als ich völlig verwirrt in Mirandas himmlisches Gesicht blickte. Gerade wollte ich das Zugband meiner Badehose lösen, da tauchte Tante Mames Gesicht hinter den Dünen auf, Wange an Wange mit Margot und Melissa.
» Aber das tut er doch gerne, Darling! « , rief Tante Mame. » Mach schon, mein lieber Kleiner, runter mit den Shorts! Du bist hübsch und schlank, und für Miranda zu posieren ist vollkommen in Ordnung– solange wir dabei sind und zusehen. «
Ein Blitzstrahl hätte mich nicht schlimmer treffen können. Beinahe erstickt vor Wut und Verlegenheit stürmte ich los und zog mich wieder vollständig an, während Tante Mame sich laut und vernehmlich über die Schönheit des menschlichen Körpers ausließ.
Melissa komponierte Musik, sehr moderne, atonale Musik– obwohl der alte Bechstein-Flügel im Musikzimmer dermaßen verstimmt war, dass man nie ganz sicher sein konnte. Eines Abends, nachdem ich es unerträglich lang mit meinem Portwein ausgehalten hatte, hörte ich das Klavier im Musikzimmer rumpeln und wummern, und ich ging dorthin statt in den Salon. Melissa saß alleine vor der Tastatur, malerisch im Kerzenschein. Sie war so wunderschön, dass ich hörbar nach Luft schnappte. Sie schaute auf und bot mir ein hinreißendes Lächeln dar. » Das habe ich heute rausgehauen « , sagte sie in ihrer himmlischen, heiseren Stimme. » Könnten Sie bitte umblättern, wenn ich spiele? «
Wie ein Zombie durchquerte ich das Zimmer. Die Musik klang, als wäre sie für das Kabuki-Theater geschrieben, aber von mir aus, der ich Melissas herrliche Schultern anstarrte, ihre Arme, ihr poitrine – von mir aus hätte sie auch Jingle Bells spielen können.
» Jetzt, bitte « , flüsterte sie.
Zitternd beugte ich mich vor, ihren lieblichen Hals zu bestürmen, da flog die Tür auf. » Hier seid ihr! « , rief Tante Mame, flankiert von Margot und Miranda. » Wunderbar! Gerade rechtzeitig für ein kleines Konzert. Spielen Sie ruhig weiter, Melissa! « Die Lichter erstrahlten, und ich war ans Klavier gefesselt, blätterte Noten für sie um bis spät in die Nacht.
Margot konnte lesen und schreiben. Sie wusste alles über den Existentialismus, über Sartre und Kafka. Ich verzehrte mich vor Verlangen nach ihr und beobachtete sie immer, wenn sie in einem wehenden weißen Kleid– die Mädchen trugen nur weiße Kleider– zur Weinlaube schwebte, unterm Arm einen Stapel in gelbe Umschläge gebundene französische Bücher, gelbes Notizpapier und gelbe Bleistifte. Meine Bewunderung für sie ließ mein Herz höher schlagen. Aber wehe, man versuchte, sie mal alleine zu erwischen!
Eines Abends gelang es mir. Tante Mame war in der Küche, ich hörte sie gerade ihre Meinung über irgendeine Soße abgeben. Melissa und Miranda zogen sich noch um. Und ich, förmlich sabbernd, folgte Margot in die Weinlaube.
» Oh! « , sagte sie mit ihrem wundervollen Stimmchen. » Haben Sie mich aber erschreckt! «
Kein bisschen erschreckt hörte sie sich an, daher fasste ich Mut. » Schreiben Sie gerade? « , fragte ich idiotischerweise.
» Nein, nein, eigentlich nicht « , sagte Margot mit einem Blick, der mich zusammenknicken ließ. » Ich sitze nur gerade an einer blöden kleinen Monografie über Kafka, aber es ist nicht so einfach, weil ich sie auf Französisch schreibe und in Villanellen. « Nicht möglich, dachte ich. » Aber dafür findet sich bestimmt kein Verleger « , fügte sie traurig hinzu.
» So ein Zufall aber auch « , sagte ich. » Ich kenne da nämlich jemanden, mit dem ich zusammen zur Schule gegangen bin, der arbeitet bei der Harbinger Press– ziemlich vornehm, wie Sie wissen. « Ich schindete Zeit. » Lassen Sie mich mal sehen. Mein Französisch ist nicht das beste, aber vielleicht könnten Sie und ich– natürlich mit meinem alten Freund– mal zusammen Mittag essen gehen, und… « Ich drängte mich an sie heran und schlang einen Arm um ihre Schultern. Nachdem ich eine ganze Woche lang von jeder dieser wundervollen Verführerinnen auf Distanz gehalten worden war, war ich so verzweifelt, dass ich bereit war, auf den plumpesten Annäherungsversuch zurückzugreifen, den alle bei der armen Sal probierten, die vom Raymond College in unsere Werbeagentur gekommen war und mit dem Chefredakteur, zwei Kunden, einem Bildhauer in der Jane Street, ihrem Verlobten, mir und dem stehenden Heer ins Bett ging.
Ich musste mich gehörig zwingen, an mich zu halten. » Hören Sie,
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