Darling, ich bin deine Tante Mame! - Roman
genommen habe, allein– und es war genau, was ich bestellt hatte. Es bewirkte, dass ich mich schämte, wie ich mich noch nie in meinem Leben geschämt hatte, und es machte mich noch mal so wütend.
Verzweifelt ging ich später nach unten an die Bar, um etwas zu trinken, teilweise aus Einsamkeit, teilweise, um mein Verhalten wiedergutzumachen. Pegeen und ihr Vater waren da, ebenso einige versprengte Gäste, aber immer, wenn ich ein Gespräch anfangen wollte, ließen sie mich auflaufen. Vor Wut schäumend verzog ich mich um zehn Uhr ins Bett und musste feststellen, dass die kurze Mittagsruhe jetzt jeden Schlaf verhinderte.
Am nächsten Morgen stand ich auf, badete und rasierte mich ausgiebig und warf mich für das Mittagessen mit den Maddox-Schwestern in Schale. Ich schaute auf die Uhr, es war elf. Ich setzte mich wieder hin und las die neueste Ausgabe der Life von vorne bis hinten durch– einschließlich der Werbeanzeigen. Dann las ich die Zeitschrift noch mal. Um Viertel vor eins machte ich mich auf den Weg.
Maddox Island setzte sich zusammen aus etwa fünfzig Einwohnern, die das ganze Jahr über dort lebten, und aus ungefähr hundert Familien, die dort große, weitläufige Holzhäuser besaßen, die sie während der Sommermonate bewohnten. Am äußersten Ende befand sich ein großes eindrucksvolles Anwesen, an dessen Türpfosten am Eingang bescheiden » Maddox « zu lesen war. Ein Schandflecken im General-Grant-Stil, mit Türmchen und Terrassen, Kanzeln und Kuppen, Blitzableitern und Balkonen. Es war mit der Zeit ein wenig schäbig geworden, aber in seiner Jugend musste es wohl ein beachtlicher Palast gewesen sein.
Ich trottete die Einfahrt entlang, und als ich mich der Haustür näherte, erschien Tante Mame. » Darling, mein Junge! Da bist du ja endlich! « Sie war angetan mit einem Voilehemd und einer Kniebundhose, die nur an einem einzelnen Träger hing, wodurch sie wie ein weiblicher Transvestit in der Rolle von Huckleberry Finn aussah. » Ich war oben auf meiner Witwenkanzel und habe dich mit meinem Glas beobachtet. «
» Glas? « , fragte ich scharf.
» Ach so, ja, die Getränke. Ich sage Ito Bescheid. « Mit diesen Worten verschwand sie und blieb die nächste halbe Stunde über unsichtbar, während ich gereizt in einer Hängematte saß und versuchte, mir einen Reim auf eine Ausgabe der Botteghe Oscure zu machen. Innerlich kochte ich, als sie endlich wieder auftauchte, gekleidet wie für eine Gardenparty der Royals, ein Silbertablett mit einer Karaffe Sherry und zwei Gläsern vor sich hertragend.
Wir tranken einen Sherry, zwei Sherry, drei Sherry. Tante Mame schnatterte ungezwungen über dies und das, die Cabots und Lodges, die Saltonstalls und Faneuils, und ich brütete still vor mich hin. Endlich brachte Ito das Mittagessen. Als ich sah, dass der Tisch nur für zwei Personen gedeckt war, platzte mir der Kragen. » Wo stecken denn diese Maddox-Mädchen, verdammt noch mal? « , schrie ich sie an.
» Oh « , sagte Tante Mame wie beiläufig, » die essen heute bei den Lowells. Ich musste mich entschuldigen, weil du ja… «
» Wann lerne ich sie denn nun endlich kennen? « , blaffte ich sie über den langen Tisch hinweg an.
» Wozu die Eile, mein lieber Kleiner? Die interessieren sich sowieso nicht für dich. « Mäuschenhaft sah sie hinab auf ihr Mousse, und das Gespräch war beendet.
Wenn einen Mann je etwas in den Wahnsinn treiben sollte, dann Tante Mame in der Rolle als New-England-Edle. Sie ließ mich allein am Tisch sitzen, mit Portwein, einer abgestandenen Zigarre und einer Fliege– und sie » zog sich zurück « in den Salon. Als ich ihr– ungefähr drei Minuten später– hinterherkam, gab sie mir Walden zu lesen, während sie sich einer Stickerei widmete! Es gab absolut keinen Draht zwischen uns, bis zu dem Moment, als sie sich in den Finger stach und ein wenig damenhaftes Wort in den Mund nahm. Ich legte mein Buch beiseite und wollte ihr gerade die Leviten lesen, da waren von der Veranda drei liebliche Stimmchen zu hören.
Was immer ich Tante Mame hatte sagen wollen, es war verflogen, als die drei Maddox-Schwestern den Raum betraten. Sie blieben im Türrahmen stehen, in ihren weißen Kleidern, als erwarteten sie, dass Sargent sie gleich auf die Leinwand bannte. Eigentlich treten die drei Schwestern in meiner Erinnerung an diesen Sommer nie als einzelne Personen, sondern immer als Gruppe auf, genauso wie auf allen Fotos von ihnen. Die Fotos, so großartig sie auch waren, fingen jedoch
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