Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Darling Jim

Darling Jim

Titel: Darling Jim Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Mork
Vom Netzwerk:
Bettler.
    Der Körper des Wolfes veränderte sich in dem Augenblick, in dem er sein Gewicht auf die Hinterbeine verlagerte und sich erhob. Sie dehnten und bogen sich nach hinten, und Prinz Euan spürte unvorstellbare Schmerzen, als er sich vorbeugte und es zum ersten Mal wagte, die Prinzessin auf die Lippen zu küssen. Sein grauer Pelz, der nach den langen Wintermonaten immer noch verfilzt und dick war, schälte sich wie von selbst von den Muskeln ab, die darunter zuckten, jedes Haar wurde einzeln ausgerissen. Endlich bestrafte Gott ihn für seine Bosheit, und er wusste, dass das endgültige Urteil kurz bevorstand. All seine Erinnerungen an sein Leben als mörderischer Thronräuber überfluteten ihn und trübten seinen Blick. Sein Bruder Ned und sein armer Vater würden sicherlich im Jenseits auf ihn warten, um bittere Rache an ihm zu üben. Euan hatte Angst davor weiterzuleben. Angst davor zu sterben. Und er konnte den Prozess nicht aufhalten, der seinen Körper verwandelte, seit ihm ihr Parfum in die Nase gestiegen war. Seine Brustmuskeln verkrampften sich und schrumpften auf die Hälfte ihrer Größe zusammen, und die messerscharfen Zähne, an die er sich gewöhnt hatte, zogen sich mit einem saugenden Geräusch in sein Zahnfleisch zurück.
    Er kroch auf seine Cousine, stützte sich am Kopfteil des Bettes ab und drang in sie ein. Ihm war, als heulten alle Männer, die er getötet hatte, in seinem Kopf auf. Jeder Killerinstinkt, den er als Raubtier gespürt hatte, bäumte sich noch einmal in ihm auf und verschwand dann mit seinen tierischen Reflexen ins Nirgendwo.
    „Ich ... sterbe“, sagte er und hörte sein Herz noch einmal rhythmisch klopfen.
    Prinzessin Aisling lächelte nur und berührte seine glatte Wange. „Nein, nur ein Teil von dir“, sagte sie und küsste ihn auf die Spitze seiner wieder aristokratischen Nase. „Das Tier muss sterben, damit der Mann leben kann. Das haben meine Wahrsager prophezeit. Warte auf das Morgengrauen. Wenn du bis zum Sonnenaufgang bei mir bleibst, wirst du erlöst werden. Dann werden wir als Mann und Frau über dieses Königreich herrschen.“
    Anfangs liebte Euan sie wie ein Mann, der noch nie bei einer Frau gelegen hatte. Er war ängstlich und tollpatschig und fühlte sich wie ein Junge. Das Wolfsgedächtnis, das immer noch tief in seinem Inneren wohnte, trieb ihn an, ihr die Kehle mit einem einzigen Biss aufzureißen. Aber dieser Drang wurde durch ihre Wärme, die ihn von allen Seiten umfing und auch an seinen Geist rührte, ausgelöscht. Die Nacht verging, und bald segelte er auf einem ruhigen, purpurnen Ozean einem sicheren Hafen entgegen. Ein Gefühl, das er in seinem bisherigen Leben noch nie gespürt hatte.
    Menschen hätten es Zufriedenheit, Vertrauen, ja sogar Liebe genannt.
    Aber Euan, dem ehemaligen Herrn der mächtigen Festung seines Vaters, dem Wolfsschlächter, der selbst eine Kreatur des Waldes geworden war, erschien es wie mächtige Zauberei. Er schloss die Augen, und ihm wurde klar, dass er diesen Akt bereits mit unzähligen Frauen vollzogen und kein einziges Mal dieses fremde Gefühl der Vertrautheit empfunden hatte. Seine Angst ließ nach. Aislings Bewegungen unter ihm wurden heftiger, bis sie schließlich seine schlanken Oberarme umklammerte, seufzte und dann ganz ruhig wurde.
    Euan fand seine eigene Erlösung, als über dem Rand des Waldes der erste bleiche Geist des Morgens aufstieg und die Bäume tränkte. Er hielt Aisling fest in den Armen und versuchte, das Bild eines Wolfes heraufzubeschwören, der sich lautlos auf einem Waldpfad an seine nichts ahnende Beute heranpirschte. Aber die Vision flackerte und verblasste, als die Sonnenstrahlen an Kraft gewannen. Er erinnerte sich daran, wie er als Junge mit seinem Vater gespielt hatte. An Trompeten. An Süßigkeiten.
    Alles, was er von seinem Leben als Tier noch im Gedächtnis bewahrt hatte, waren die Augen des Wolfes, der ihn verflucht hatte. »Das wissen nur Gott und die Parzen«, hatte er ihn gewarnt und ihm mit ewiger Verdammnis gedroht. Eine lächerliche, zu Unrecht ausgestoßene Drohung, wie sich jetzt zeigte. Er war als wildes Tier im Fegefeuer gewesen, aber nun war er Gott sei Dank wieder in Sicherheit. Das Sonnenlicht streichelte sein neues Gesicht, er küsste Prinzessin Aisling auf den Hals und schlief ein.
    Euan schlummerte, bis die Glocke zum ersten Morgengebet rief.
    Dann schreckte er auf, als sei er aus einem Albtraum erwacht.
    Sein Körper fühlte sich an, als habe ihn das Fieber des

Weitere Kostenlose Bücher