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Darling Jim

Darling Jim

Titel: Darling Jim Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Mork
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grünen Benz und rief mit der fröhlichsten Stimme, die ich je gehört habe: »Hey, Fiona! Du kannst jetzt rauskommen. So ist alles schneller vorbei.«
    Zuerst rührte sich nichts in Aoifes Taxi, aber dann öffnete sich knarrend der Kofferraum, und Fiona kletterte heraus. Sie trug etwas Schweres in den Händen und kam auf uns zu, wie ein Soldat auf einem Kupferstich, der genau weiß, dass er bei diesem Einsatz sterben wird. Kinn nach oben, Augen nach vorn. »Geh weg von ihr«, sagte sie. »Los!«
    »Warum reden alle in dieser Stadt wie Bronagh der Möchtegern-Cop? Leg dieses Ding weg, sonst lasse ich euch länger leiden, als es nötig wäre.«
    Das war's. Einen Plan B hatte ich leider nicht vorbereitet. Genial, was? Ich ködere die Beute, und Fiona schleicht sich ran und schlägt ihm den Schädel ein, während wir vögeln. Jetzt verstehst du sicher, warum ich das lieber verschwiegen hätte. Verdammt, es ist schon peinlich genug, auszusehen wie eine von Jims Groupies. Aber wie eine von ihnen zu sterben würde noch viel schlimmer werden. Jim beugte sich zum Picknickkorb, und ich wusste, dass er uns diesmal kein Hühnchen anbieten würde.
    Was dann geschah, war entweder ein Funken Magie aus Jims eigenen Geschichten oder einfach der eindeutige Beweis dafür, dass Liebe stärker ist als Todesangst.
    Bumm!
    Bei dem Knall zuckten wir alle zusammen und wirbelten herum.
    Meine Zwillingsschwester, wunderschön in ihrer Armeejacke mit den aufgemalten Schmetterlingsmännern, richtete die Flinte unseres Vaters auf Jims Kopf. Aoife näherte sich uns von hinten und wechselte dabei geschickt die leere Patronenhülse gegen ein frisches Geschoss. Ich hatte ihre Augen noch nie so lebendig leuchten sehen wie in diesem Moment. Es war, als atme sie reinen Sauerstoff, ihre Wangen waren so rot wie Liebesäpfel. Ihre Hände zitterten nicht einmal, als sie nur noch einen Meter von ihm entfernt stand.
    »Genug gepicknickt«, sagte sie. »Es ist nicht warm genug heute.«
    Jim stand wie vom Donner gerührt da, und sein Schock darüber, dass die Frau vor ihm stand, die er als blutiges, wimmerndes Häufchen Elend auf dem Boden ihres Cottages zurückgelassen hatte, war stärker als sein ewiger Charme. Aber auch Fiona und ich konnten unsere Überraschung nicht verbergen, denn Aoife war nicht Teil unseres genialen Plans gewesen. Und hier stand sie nun wie die Kavallerie, um den beiden Indianerinnen, die es verbockt hatten und gleich selbst ins Gras gebissen hätten, hilfreich zur Seite zu stehen. Das war besser als Jims Geschichten. Ein Twist in letzter Sekunde. Die Helden lachen, und die Schurken heulen. Leider hielt sich unser Schurke nicht ans Drehbuch.
    »Du bist phantastisch, Aoife!«, sagte ich mit einem Kloß im Hals.
    Der seanchai erholte sich rasch und schmierte Honig auf seine nächste Drohung. »Den Schuss haben alle gehört«, sagte er so ruhig wie ein Leichenbestatter. »Und auch wenn nicht: Sie werden genau wissen, wer mich getötet hat. Ich habe genug Geschichten über euch drei verbreitet, um zwei italienische Opern zu füllen.«
    »Erschieß ihn«, zischte Fiona und weinte aus Scham, weil sie nur dastehen und nichts tun konnte. Vielleicht auch, weil sie sich dafür hasste, dass auch sie Jim vor nicht allzu langer Zeit ein bisschen geliebt hatte.
    »Wartet. Mal sehen, was er uns sonst noch Schönes mitgebracht hat«, sagte ich. Meine Hände erwachten zum Leben und wühlten in Jims Picknickkorb herum. Im Inneren befand sich ein Tischlerhammer. Das ist das Letzte, was Tomo vor seinem Tod gesehen hat, dachte ich. Er und ein paar arglose Mädchen. Ich streckte das Ding in die Luft. »Kein Huhn mehr da?«, fragte ich ihn.
    »Renovieren sollte man nur im Eigenheim«, sagte Aoife und bedeutete Jim mit einer Geste ihrer Flinte, in den Wald zu laufen. »Du hättest lieber Besteck mitbringen sollen.«
    »Schon mal jemanden umgebracht?«, fragte Jim mit einem Nicken in Richtung der Waffe. »Ist 'ne ziemlich schmutzige Angelegenheit.«
    »Hör auf, meine Zeit zu vergeuden, und beweg dich«, antwortete sie.
    Am Waldrand hielt Jim an und lehnte sich gegen einen Baum.
    Ein Faun hätte in dem grünen Sonnenlicht, das durch die Blätter drang, nicht halb so gut ausgesehen, und das wusste er. »Gebt es zu«, sagte er. »Ihr seid neugierig. Ihr wollt wissen, warum diese Frauen sterben mussten, und werdet mich erst abmurksen, wenn ihr es wisst, habe ich recht?«
    »Nein«, sagte Aoife.
    Ich schwieg. Inzwischen waren Zweifel an unserem Vorhaben in mir

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