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Darling Jim

Darling Jim

Titel: Darling Jim Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Mork
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wartete womöglich dort immer noch darauf, dass sie zurückkam und er sie noch einmal mit seinem Sportlercharme beglücken durfte. »Der war höchstens dreißig.«
    »Ach, so viele Männer und nur dieses eine Taxi«, seufzte Rosie. »Fang bloß nicht an«, zischte Aoife, und einen Moment lang zeigte ihre Naturkindfassade Risse.
    »Wollt ihr Nachtisch?«, fragte Tante Moira.
    Es war schon beinahe zehn Uhr, als Moira uns widerstrebend gehen ließ. Wir mussten schwären, dass wir sie nächste Woche wieder besuchen würden. Der Himmel versprach immer noch, dass es bald Sommer werden würde, und leuchtete beinahe grün über der Bucht. Die Boote waren vertäut, die Segel gerefft. In diesem Moment verliebte ich mich fast ein bisschen in meine Heimatstadt. Aber das Gefühl verschwand so schnell, wie es gekommen war.
    »Wie wär's mit einem Bierchen?«, fragte Rosie. »Es ist noch zu früh, um Männer zu foltern.«
    »Stimmt«, sagte Aoife und schlüpfte aus ihrer Armeejacke, auf die sie kleine Männer gemalt hatte, die mit Netzen hinter Schmetterlingen herjagten. Eine warme Brise wehte von der Bucht zu uns herüber. »Was hält die Seniorin unseres edlen Schwesternbundes von der Idee?«
    »Ich sauf euch beide unter den Tisch«, sagte ich grinsend.
    Gott, wie ich die beiden liebte, auch wenn sie mich beinahe täglich in den Wahnsinn trieben.
    Die Zwillinge sahen sich verschwörerisch an und fragten gleichzeitig: »Wo willst du gegen uns verlieren? O'Hanlon's oder McSorley's?«
    »McSorley's«, antwortete ich und umfasste die Lenkergriffe meines Fahrrads wie ein echter Hell's Angel. »Fresst meine Abgase, ihr Looser.«
    Es war Freitagabend, was bedeutete, dass wir uns einen Platz im Pub erkämpfen mussten.
    An der Bar standen Fischer in Troyern und Stiefeln und legten viel Bargeld für fruchtige Drinks, deren Namen sie nicht kannten, auf die Theke. Zwei Spanier mit den gleichen Sonnenbrillen beschwerten sich lautstark, man habe ihnen die Rucksäcke geklaut, bis Clare, die Kellnerin, sie beruhigte und auf den Platz hinter der Bar verwies, wo sie das Gepäck zur Sicherheit verstaut hatte. Das Pub war mir eigentlich ein bisschen zu »authentisch irisch«, um ehrlich zu sein, aber es lag genau im Stadtzentrum und schenkte am besten ein. Sepiafarbene Fotos aus Castletownberes ruhmreicher Vergangenheit hingen an den nikotinverfärbten Wänden. Alkoholschmuggler in schwarzen Ölzeugponchos, IRA-Freiwillige mit Filzhüten, die geklauten britischen Gewehre über den Schultern. Außerdem neuere Fotos von meinen Schülern, die vom Bürgermeister einen Preis dafür bekommen hatten, dass sie bei der diesjährigen Regatta nicht ertrunken waren. Der hölzerne Nachbau einer irischen Harfe hing an der Wand neben einem riesigen Fernseher, auf dem normalerweise Rugby lief.
    Meine Schwestern waren bereits vorausgestürmt und hatten ein paar schüchterne Norweger davon überzeugt, uns an ihrem Tisch in der einzigen Nische des Lokals Platz zu machen. Ich balancierte drei Pints Stout durch die Menge, als ich ein Gesicht sah, das ich zu kennen glaubte. Dann war es wieder verschwunden. Gerade als ich meinte, mich zu erinnern, woher es mir bekannt vorkam, heulte Rosie auf ihrem Platz wie eine Sirene auf.
    »Die Kleine braucht ihre Medizin, Omi!«, brüllte sie. »Und zwar noch in diesem Jahrhundert, wenn's geht!«
    »Ja, bitte hab Mitleid«, ergänzte Aoife und beugte sich zum Entzücken der Norweger so weit nach vorne, dass sie ihr in den Ausschnitt starren konnten.
    Ich lachte und stellte die Gläser auf unseren Tisch. Rosie hatte ihres geleert, bevor ihre Schwester den ersten Schluck genommen hatte. Ich hatte mich gerade gesetzt, als ich eine Stimme hörte, die ich wirklich erkannte. Sie kam aus dem Nichts und aus allen Richtungen und brachte alle zum Schweigen, die schimpfenden Säufer, die glücklichen Touristen und die von einem iPod gespeiste Jukebox, aus der gerade ein Lied über die Vergeblichkeit der Liebe dudelte. Schon bevor ich ihre Quelle ausmachte, wusste ich, wem sie gehörte.
    Jim trank die Aufmerksamkeit seines Publikums, als wäre es ein gut eingeschenktes Guinness.
    »Geneigte Damen, edle Herren und ehrenwerte Gäste dieses wunderbaren Etablissements«, sagte der gut aussehende Kerl, der auf einem Barhocker hinten bei den Toiletten thronte. Er trug seine Lederjacke und hatte das Haar aus dem Gesicht gestrichen, das ich seit heute Morgen nicht mehr vergessen konnte. »Mein Name lautet Jim Quick, obwohl man mich auch unter anderen

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