Darling Jim
Herrschaft.
Er sorgte nach seiner triumphalen Rückkehr dafür, dass sein Vater Ned ein Heldenbegräbnis ausrichtete. Euan hielt eine bewegende Grabrede und sprach von Neds „kriegerischem Geist, der ihn das Leben gekostet hatte<.
Sein Vater ertrug den Verlust eines weiteren geliebten Menschen nicht und folgte Ned kaum einen Monat später ins Grab. Seine Grabrede fiel deutlich kürzer und deutlich weniger herzlich aus. Innerhalb eines Tages verwandelte Euan die Gemächer seines Vaters in ein Bordell und ließ seine Soldaten junge Frauen aus den umliegenden Dörfern zusammentreiben und in die Burg bringen, um seinen Sieg und die Thronbesteigung zu feiern. Die Diener schauten zur Seite. Und die Geschichten seiner merkwürdigen Vorlieben verbreiteten sich immer weiter, je öfter ein junges Mädchen mit gesenktem Blick den Hügel hinunterschlich.
Manche, raunten sich die Leute zu, kehrten nie wieder nach Hause zurück.
Doch König Euan entdeckte bald eine Leidenschaft für sich, die ihn viel stärker fesselte als die Jagd nach Frauen.
Er wagte sich immer tiefer in den Wald vor und jagte Wölfe. Innerhalb eines Jahres staken mehr als hundert Wolfsköpfe auf langen Pfählen in der Großen Halle, in der sein Vater früher das jährliche Blumenfest veranstaltet hatte. Nun soffen Jäger, die seine Familie früher niemals eines Blickes gewürdigt hätte, die Metfässer der Burg leer. In schwarzes Leder gekleidet, prahlten sie mit den Jagderfolgen des Tages und maßen sich darin, wer mehr Wölfe erlegt hatte. Aus Dankbarkeit fertigte einer für Euan einen Kopfschmuck an, der aus dem ausgehöhlten Schädel eines Wolfes bestand. Der König nahm ihn mit echten Tränen der Rührung entgegen und stülpte ihn sich über den Kopf. Er passte beinahe zu gut, und das Kerzenlicht ließ die beiden Augenpaare glänzen. Er trug den Wolfskopf die ganze Nacht, auch als er sich zu den drei Mädchen legte, die kaum alt genug waren, um zu verstehen, warum man sie in die Gemächer des Königs gebracht hatte. Und am nächsten Morgen gab er dem Sitz seiner Familie einen neuen Namen, der zu seiner neuesten Leidenschaft passte.
Der Name Dun an Bhaintrigh war nicht länger angemessen, da der Witwer nun gestorben war. Von nun an sollte die Burg mit dem schwarzen Tor für alle Zeiten als Dun an Fhaoil bekannt sein, die Festung des Wolfes. Welcher Name hätte besser gepasst?
Er verbannte das uralte nautische Wappen seiner Familie von den Mauern und Bannern und ersetzte es durch einen grimmigen Wolf, der über eine Lichtung rannte, als Symbol für sein Glück und die Wildheit, die in ihm steckte.
König Euan lebte noch drei Jahre so weiter.
Bis Gott endlich beschloss, Feigheit und Verrat nicht länger zu belohnen.
Euan ritt mit einer kleinen Eskorte durch die Grenzgebiete seines Landes. Er fühlte sich großartig. Seine Diener, die ein paar Meilen hinter ihm waren, da sie seine Beute aufsammeln mussten, trugen bereits drei prächtige Grauwölfe und zwei ihrer Jungen in ihren ledernen Netzen. Der König gab seinem Pferd die Sporen und wählte einen Weg, der in ein ihm unbekanntes Waldgebiet führte. Zum ersten Mal seit Jahren stieg Furcht in ihm auf, und er versuchte sie niederzukämpfen. Es war erst drei Uhr nachmittags, aber die Schatten unter den Bäumen schienen Gestalt anzunehmen. Das spröde Ächzen, das er vor Jahren gehört hatte, als er auf die Truppen seines Bruders stieß, schien nun aus jedem Ast zu dringen.
„Aberglaube“, schrie er den Bäumen zu, doch sie blieben stumm. „Alte Ammenmärchen!“ Seine Wachen riefen weit hinter ihm seinen Namen. Doch er schwieg. Denn wenn er seine kindische Angst vor der Dunkelheit nicht überwand, wie konnte er dann hoffen, eines Tages über ganz Cork zu herrschen? Oder gar ganz Munster zurückzuerobern und die Normannen wieder ins Meer zu treiben? Er ritt weiter, und die ängstlichen Stimmen hinter ihm wurden bald von den Blättern verschluckt. Er ritt um eine Biegung und sah, dass er nicht alleine war.
Ein Wolf saß auf dem Pfad vor ihm.
Er schien mit beinahe menschlicher Geduld auf ihn zu warten.
Euans Pferd geriet in Panik, warf ihn ab und galoppierte dann wiehernd davon. Euan rappelte sich auf und zog eilig sein Schwert. Sein Wolfshelm war ihm vom Kopf gefallen und rollte langsam auf seinen lebenden Artverwandten zu, der immer noch völlig unbeweglich dasaß, als warte er auf ein Zeichen.
„Bist du wirklich? „, wagte Euan schließlich zu fragen und holte keuchend Atem.
Der Wolf
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