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Darling Jim

Darling Jim

Titel: Darling Jim Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Mork
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gefunden? Oder war die robuste Evi als Letzte aufgetaucht und als Erste gegangen? Vielleicht hatte der arme Finbar endlich aufgehört zu heulen und vergeblich versucht, seine Exfreundin zu retten? Die skeptische Arschkriecherin Bronagh war es bestimmt nicht gewesen, denn das hätte bedeutet, dass sie tatsächlich Untersuchungen angestellt und nicht mehr nur ihren Kollegen nach dem Mund geredet hätte. Niall fischte ein dickes Gummiband von seinem Schreibtisch und wickelte es um Fionas Tagebuch, bevor er es in seinen Rucksack stopfte. Er würde dieses Totenbuch, das ihm zufällig in die Hände gefallen war, als Wegweiser behalten, damit er darauf zurückgreifen konnte, sollte ihm unterwegs der Mut ausgehen.
    Dieses Rätsel musste er alleine lösen. Ring!
    Niall hob ab und erkannte am ungeduldigen Einatmen, wer dran war, bevor er seinen Namen sagte und Mr. Raichoudhurys dröhnende Stimme hörte.
    »Es ist halb elf, Mr. Cleary«, sagte der ranghöchste Postbeamte Irlands, der vollkommen aus Nialls Gedächtnis verschwunden war, seit er das Buch aufgeschlagen und die erste Zeile gelesen hatte. »Ist deshalb anzunehmen, dass Sie entweder einer lebensbedrohlichen Krankheit zum Opfer gefallen sind oder Ihr trautes Heim von einer Bande ruchloser Schurken ausgeraubt wurde, die alle Uhren mitgenommen haben? Denn ich habe erwartet, Sie heute Morgen um acht hier zu sehen. Wären Sie so freundlich, mich aufzuklären, Mr. Cleary?«
    Lieber Himmel! Niall blickte zu den salzverkrusteten Fenstern und sah die Sonne schon hoch über den Baukränen stehen, die sein Viertel in ein Yuppieparadies verwandeln wollten. Oscar starrte ihn an und verzog sich dann in die Küche, als wolle er nicht Zeuge der Demütigung werden, die seinem Besitzer bevorstand. Auf seinem Weg peitschte sein orangefarbener Schwanz gegen Nialls Bein, damit dieser nicht vergaß, wer hier der Chef war.
    »Es tut mir wirklich leid, Mr. Raichoudhury ... «
    »Darf ich also annehmen, dass Ihnen weder ein Lungenflügel noch ein anderes lebenswichtiges Organ fehlt? Und dass Sie sich auch nicht in der Gewalt von Geiselnehmern befinden, die Sie von der Erfüllung Ihrer Pflichten abhalten?«
    »Ich habe ein Buch gelesen, Sir«, sagte Niall und strich noch einmal über den schwarzen Leinenumschlag. Er stellte sich vor, dass er über eine Art göttlichen Kurzwellentransmitter mit Fiona kommunizierte, und versuchte nach Kräften, die Stimme des Möchte-gern-Napoleons auszublenden.
    »Nun, das ist zwar eine deutliche Verbesserung gegenüber Ihrer üblichen Schwäche, kindische Bildchen zu zeichnen, Mr. Cleary. Aber als Geschäftsführer der Post von Malahide habe ich keine andere Wahl mehr, als Ihnen zu kündigen. Das finden Sie doch sicherlich nicht ungerecht oder übertrieben?« Mr. Raichoudhurys Stimme drückte beinahe so etwas wie Bedauern darüber aus, dass er Niall nach drei Verwarnungen nun wirklich feuern musste. Ihn einen Mentor zu nennen wäre zu kitschig gewesen. Aber der ältere Mann war ein geborener Offizier und empfand eine Verpflichtung gegenüber seinen Männern - auch gegenüber denen, die ihn immer wieder enttäuschten.
    Niall konnte hören, wie der aristokratischen Nase seines Chefs zwei Jahre derartiger Enttäuschungen in einem langen Atemzug entströmten. »Kein Problem, Mr. Raichoudhury. Sie haben jedes Recht dazu, mich zu feuern. Ich war wirklich nicht in Bestform.«
    »Ich werde dafür sorgen, dass Sie im Lauf der nächsten fünf Arbeitstage Ihren letzten Gehaltsscheck erhalten«, sagte die Stimme, die nun beinahe väterlich klang. »Viel Glück, Mr. Cleary, und falls Sie mal ein Empfehlungsschreiben brauchen, wenden Sie sich ohne Zögern an mich.« Nach einer kleinen Pause fügte der Zuchtmeister hinzu: »Würden Sie mir erlauben, meine persönliche Meinung zu äußern? Sie dürfen natürlich ablehnen.«
    »Das würde mich sehr interessieren, Sir«, sagte Niall und beobachtete, wie Oscar sich an der Tüte Zitronenkekse gütlich tat, die er eigentlich für sich gekauft hatte. Die grünen Katzenaugen hefteten sich auf ihn und gaben ihm deutlich zu verstehen, sich um seine eigenen Angelegenheiten zu kümmern.
    »Ich hatte einmal einen Lehrer, den Bilder und Zeichnungen aller Art faszinierten«, begann Mr. Raichoudhury. Der Nachfahre und Fackelträger des bengalischen Lanzers klang, als wäre er viele Jahrhunderte weit weg, auf dem Weg zu den längst versunkenen Orten, an denen er sich am wohlsten fühlte. »Er kümmerte sich nicht mehr um seine Frau und seine

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