Darm mit Charme: Alles über ein unterschätztes Organ (German Edition)
betagten Rachengestalten nur unnötig. Bevor es zu oft im Hustendebakel endet, geht man lieber frühzeitig zu einem Logopäden und hält die Schlucktruppe auf Trab.
Magen
Der Magen ist sehr viel bewegungsfreudiger, als viele denken. Kurz bevor die Torte in den Magen plumpst, entspannt er sich – solange Essen in ihn hineinpurzelt, kann er sich dann weiter und weiter dehnen. Er macht Platz für alle, die Platz wollen. Ein Kilogramm Torte mit einem Volumen von einer Packung Milch passt locker in eine mitwachsende Magen-Hollywoodschaukel. Emotionen wie Angst oder Stress können das Dehnen der glatten Magenmuskulatur erschweren, dann sind wir schnell voll, oder uns wird schon nach kleinen Portionen übel.
Ist die Torte angekommen, beschleunigen die Magenwände ihre Bewegungen wie Beine beim Anlaufnehmen und – bam! – wird das Essen angeschubst. In einem hübschen Bogen fliegt die Torte gegen die Magenwand, prallt ab und plumpst zurück. Mediziner nennen das Retropulsion, große Geschwister nennen das »Mal gucken, wie weit du fliegen kannst«. Anlauf und Schubs ergeben zusammen das typische Gurgelgeräusch, wenn wir unser Ohr ganz oben auf den Bauch legen (in dem kleinen Dreieck, bei dem rechts und links die Rippenbögen zusammenlaufen). Wenn der Magen so munter anfängt zu schaukeln, regt das den ganzen Verdauungsschlauch zur Bewegung an. Dann treibt auch der Darm seinen Inhalt nach vorne und macht so Platz für Neues. Deshalb müssen wir manchmal nach einem großen Essen ziemlich bald aufs Klo.
Ein Stück Torte kann in der Bauchwelt ganz schön was auf die Beine stellen. Der Magen wird etwa zwei Stunden damit herumschaukeln. Dabei zermalmt er die Bissen zu winzigen Partikeln. Ein Großteil ist unter 0,2 Millimeter groß. Krümel, die so klein sind, klatschen nicht mehr an die Wand, sondern rutschen durch ein kleines Loch am Ende des Magens. Dieses Loch ist der nächste Schließmuskel – der Magenpförtner. Er bewacht den Ausgang des Magens und den Eingang zum Dünndarm.
Einfache Kohlenhydrate wie Kuchenboden, Reis oder Nudeln werden schnell an den Dünndarm weitergereicht. Dort werden sie verdaut und sorgen schon bald für einen Anstieg des Blutzuckers. Proteine und Fett hält der Pförtner deutlich länger im Magen fest. Ein Stück Steak schaukelt dann gerne mal sechs Stunden lang, bevor es komplett im Dünndarm angekommen ist. Deshalb wollen wir nach dem Essen von Fleisch oder fettig Frittiertem am liebsten einen süßen Nachtisch: Unser Blutzucker will nicht so lange auf das Essen warten – das Dessert gibt schon mal einen Blutzuckervorschuss. Kohlenhydratreiche Mahlzeiten machen zwar schneller fit, aber halten nicht so lange satt wie Proteine oder Fett.
Dünndarm
Sobald die ersten Minihäppchen im Dünndarm ankommen, passiert die richtig echte Verdauung. Der bunte Tortenbrei wird bei seiner Durchreise durch diesen Schlauch fast komplett in den Wänden verschwinden – in etwa wie Harry Potter auf Gleis 9 ¾. Der Dünndarm packt die Torte beherzt. Er knetet auf einer Stelle herum, hackt den Nahrungsbrei in alle Richtungen, pendelt mit seinen Zotten in ihm herum und schiebt den völlig vermischten Brei kräftig vorwärts. Unter dem Mikroskop sieht man: Selbst die winzigen Darmzotten helfen mit! Sie bewegen sich hoch und runter wie kleine Trampelfüßchen. Einfach alles ist in Bewegung.
Egal, was unser Dünndarm so tut, er befolgt dabei eine Grundregel: Es geht weiter, es geht nach vorne. Dafür gibt es den sogenannten peristaltischen Reflex. Der Erstentdecker dieses Mechanismus isolierte ein Stück Darm und blies Luft durch ein Röhrchen hinein – der Darm pustete kontaktfreudig zurück. Deshalb empfehlen viele Ärzte ballaststoffreiche Nahrung für eine angeregte Verdauung: Unverdauliche Ballaststoffe drücken gegen die Darmwand, und sie drückt interessiert zurück. Diese Darmgymnastik sorgt dafür, dass Essen schneller durchkommt und geschmeidig bleibt.
Wenn der Tortenbrei ein aufmerksamer Tortenbrei wäre, könnte er vielleicht auch noch die »Wupps« hören. In unserem Dünndarm gibt es besonders viele Schrittmacherzellen. Diese Zellen geben kleine Stromstöße von sich. Für unsere Darmmuskeln ist das, als würde ihnen jemand »Wupp!« zurufen … und wieder: »Wupp!« So driftet der Muskel nicht ab, sondern »wuppt« kurz zurück wie beim Tanzen zum Bass in der Disko. Die Torte bzw. das, was von ihr übrig ist, wird so zielsicher weitergeschoben.
Unser Dünndarm ist der fleißigste Abschnitt
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