Darm mit Charme: Alles über ein unterschätztes Organ (German Edition)
daran, dass er mal wieder in seiner Slow-Motion-Art tanzt. Genau wie der Dünndarm bildet er beim Kneten Einstülpungen, um den Brei darin gut festzuhalten – nur bleibt er einfach eine ganze Weile in dieser Pose, ohne sich zu bewegen. In etwa wie ein Straßenkünstler, der pantomimisch in einer Position verharrt. Zwischendurch macht er sich kurz locker und formt an anderen Stellen neue Einstülpungen, in denen er dann wieder lange Zeit verharrt. Die Lehrbücher bleiben deshalb bei der Perlenkettenversion … Wer fürs Klassenfoto schielt, sieht dann eben auch so aus.
Drei bis vier Mal am Tag rappelt sich der Dickdarm auf und bewegt eingedickten Nahrungsbrei ernsthaft motiviert nach vorne. Wer genug Masse bieten kann, schafft es dann sogar drei bis vier Mal am Tag aufs Klo. Bei den meisten Menschen reicht der Dickdarminhalt für einen Toilettengang pro Tag. Auch drei Mal pro Woche ist statistisch gesehen noch im gesunden Bereich. Dickdärme von Frauen sind generell ein bisschen gemütlicher als die von Männern. Woran das liegt, weiß die Medizin noch nicht – Hormone sind allerdings nicht der Hauptgrund.
Von der Gabel mit Torte bis zum Häufchen vergeht durchschnittlich ein Tag. Schnelle Därme schaffen es in acht Stunden, eher langsame in dreieinhalb Tagen. Durch die Durchmischung können auch Teile der Torte nach zwölf, andere nach 42 Stunden die Chill-Lounge des Dickdarms verlassen. Solange die Konsistenz stimmt und man keine Beschwerden hat, muss man sich als etwas gemütlicher verdauender Mensch keine Sorgen machen. Im Gegenteil – wer zu der »einmal am Tag oder seltener«-Fraktion gehört oder auch ab und an zu Verstopfungen neigt, hat laut einer niederländischen Studie sogar ein geringeres Risiko, bestimmte Enddarmerkrankungen zu bekommen. Getreu dem Motto des Dickdarms: In der Ruhe liegt die Kraft.
Sauer aufstoßen
Auch der Magen kann stolpern. Seine glatte Muskulatur kann genauso Gehfehler haben wie die quergestreifte Muskulatur der Beine. Wenn dabei etwas wie Magensäure an Orte gelangt, die nicht dafür ausgestattet sind, brennt es. Beim sauren Aufstoßen kommen Magensäure und Verdauungsenzyme bis in den Rachen, bei Sodbrennen schaffen sie es nur bis an den Anfang der Speiseröhre und verursachen ein Brennen im Brustkorb.
Der Grund für Aufstoßen ist auch nicht anders als beim Stolpern: Es sind die Nerven. Sie regulieren die Muskulatur. Wenn die Sehnerven eine Stufe nicht wahrnehmen, werden die Beinnerven falsch informiert, und unsere Beine laufen, als ob es kein Hindernis gäbe: Wir stolpern. Wenn unsere Verdauungsnerven falsche Infos bekommen, halten sie die Magensäure nicht auf und lassen sie im Rückwärtsgang losfahren.
Der Übergang von der Speiseröhre zum Magen ist ein anfälliger Ort für so ein Stolpern – trotz der Vorsichtsmaßnahmen »enge Speiseröhre, fester Sitz im Zwerchfell und Kurve zum Magen«‚ geht immer wieder mal etwas schief. Rund ein Viertel aller Deutschen haben hier Beschwerden. Das Ganze ist keine neumodische Erscheinung: Auch Nomadenvölker, die noch so leben wie vor Hunderten von Jahren, verzeichnen ähnlich hohe Raten an Sodbrennen und Aufstoßen.
Die Crux ist: In dem Bereich von Speiseröhre und Magen müssen zwei verschiedene Nervensysteme eng zusammenarbeiten – einmal das Nervensystem aus dem Gehirn und einmal das des Verdauungsrohrs. Nerven aus dem Gehirn regulieren beispielsweise den Schließmuskel zwischen Speiseröhre und Magen. Außerdem hat das Gehirn einen Einfluss auf die Säurebildung. Die Nerven des Verdauungsrohrs sorgen dafür, dass sich die Speiseröhre in harmonischer La-Ola-Welle nach unten bewegt und so mit den tausend Spuckschlücken pro Tag immer schön sauber bleibt.
Praktische Tipps gegen Sodbrennen oder Aufstoßen bauen darauf auf, diese beiden Nervensysteme auf den richtigen Pfad zurückzubringen. Kaugummikauen oder Teetrinken unterstützt den Verdauungsschlauch, indem viele kleine Schlücke den Nerven die richtige Richtung zeigen: hin zum Magen, nicht zurück. Entspannungstechniken bewirken, dass weniger hektische Nervenbefehle vom Hirn entsendet werden. Das sorgt im besten Fall für ein stetiges Schließen des Ringmuskels und weniger Säurebildung.
Zigarettenrauch aktiviert Hirnbereiche, die auch beim Essen angeregt werden. Dadurch fühlt man sich zwar wohler, aber produziert auch ohne echten Grund mehr Magensäure und lockert dabei den Ringmuskel der Speiseröhre auf. Das Rauchen sein zu lassen hilft bei unangenehmem
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