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Darm mit Charme: Alles über ein unterschätztes Organ (German Edition)

Darm mit Charme: Alles über ein unterschätztes Organ (German Edition)

Titel: Darm mit Charme: Alles über ein unterschätztes Organ (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giulia Enders
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Tube Zahnpasta. All der Inhalt aus dem Magen wird von uns weggepresst. Schwungvoll, immer raus damit!
Warum wir erbrechen und
was wir dagegen tun können
    Menschen-Tiere sind extra so gebaut, dass sie erbrechen können. Zu unseren kotzfähigen Kollegen zählen Affen, Hunde, Katzen, Schweine, Fische und auch Vögel. Unfähig, sich zu übergeben, sind dagegen Mäuse, Ratten, Meerschweinchen, Kaninchen oder Pferde. Sie haben eine zu lange, enge Speiseröhre. Außerdem fehlen ihnen die kotztalentierten Nerven.
    Tiere, die nicht kotzen können, müssen sich bei der Nahrungsaufnahme anders verhalten. Ratten und Mäuse »nibbeln« ihr Futter. Dabei knabbern sie winzige Stückchen prüfend ab und fressen erst weiter, wenn ihnen der erste Testhappen nicht geschadet hat. War er giftig, wird ihnen so meist nur ziemlich übel. Außerdem lernen sie, nicht mehr davon zu essen. Darüber hinaus können Nagetiere Gifte besser abbauen, weil ihre Leber mehr Enzyme dafür hat. Pferde können noch nicht mal nibbeln. Wenn bei ihnen etwas Ungutes im Dünndarm landet, ist das oft lebensgefährlich. Im Grunde können wir also erst mal mächtig stolz sein, wenn wir uns röhrend über einer Kloschüssel krümmen.
    Während der Brechtiraden kann man die kurzen Kotzpausen zum Grübeln nutzen. Der famose Eiersalat von Nummer 32 hat sich erstaunlich gut gehalten, als er von seinem Kurztrip in die Magengefilde zurückkehrt. Ein paar Stückchen vom Ei, Erbsen und Nudeln sind deutlich erkennbar. 32 denkt noch ernüchtert: Ich muss ziemlich schlecht gekaut haben. Kurz darauf bietet der nächste Schwall ein etwas kleinteiligeres Arrangement. Wenn unser Erbrochenes erkennbare Stücke enthält, kommt es mit hoher Wahrscheinlichkeit aus dem Magen und nicht aus dem Dünndarm. Je feiner, bitterer oder gelblicher, desto eher handelt es sich um einen kleinen Postkartengruß aus dem Dünndarm. Deutlich erkennbares Essen ist zwar schlecht gekaut – aber wenigstens frühzeitig aus dem Magen herauskatapultiert worden und noch nicht in den Dünndarm gelangt.

Auch die Art des Erbrechens verrät uns einiges. Kommt es ganz plötzlich, fast ohne Vorwarnung und dann in einem heftigen Schwall, spricht das für einen Magen-Darm-Virus. Die vorsichtigen Sensoren zählen nämlich erst mal, wie viel Krankheitserreger sie antreffen – wenn sie beim Zählen merken: Ab hier ist es jetzt wirklich zu viel!, ziehen sie die Notbremse. Vor dieser Schwelle hätte sich vermutlich das Immunsystem noch darum kümmern können, aber jetzt ist es die Angelegenheit der Magen-Darm-Muskeln.
    Bei Vergiftungen durch schlechte Lebensmittel oder Alkohol kommt das Brechen ebenfalls schwallartig, allerdings kündigt es sich fairerweise kurze Zeit vorher mit Übelkeit an. Die Übelkeit soll uns beibringen, dass dieses Essen übel für uns ist. In Zukunft wird Person 32 einer Schüssel Eiersalat wesentlich skeptischer gegenübertreten.
    Nummer 14 von der Achterbahn geht es genauso mies wie Eiersalat-32. Achterbahn-Reihern funktioniert nach dem Prinzip »Reiseübelkeit«. Hier ist gar kein Gift im Spiel, und trotzdem landet Kotze auf Füßen und in Handschuhfächern oder saust mit der Windrichtung auf die nächste Heckscheibe. Unser Gehirn bewacht unseren Körper – akribisch und vorsichtig –, vor allem bei kleinen Kindern. Die derzeit fundierteste Erklärung für Kotzen-on-the-Road lautet: Wenn die Informationen der Augen auffällig abweichend zu denen des Ohrs sind, weiß das Gehirn nicht mehr, was schiefläuft, und zieht alle möglichen Notregister.
    Wenn man im Auto oder im Zug ein Buch liest, berichten die Augen »kaum Bewegung«, und der Gleichgewichtssensor in den Ohren sagt: »Eine Menge Bewegung.« Umgekehrt ist es, wenn man beim Fahren Baumstämme am Waldrand verfolgt. Wenn wir gleichzeitig unseren Kopf ein bisschen bewegen, sieht es aus, als ob die Baumstämme noch schneller vorbeirauschen, als wir uns in Wirklichkeit bewegen – und wieder verwirrt das unser Gehirn. Solche Widersprüche von Augen und Gleichgewichtssinn kennt unser Gehirn eigentlich nur bei Vergiftungen. Wer zu viel getrunken oder Drogen genommen hat, fühlt Bewegung, obwohl er still dasitzt.
    Auch starke Emotionen wie seelische Belastungen, Stress oder Angst können Grund für Erbrechen sein. Normalerweise bilden wir jeden Morgen das Stresshormon CRF ( Corticotropin Releasing Factor ) und legen so ein Polster an, um den Körper für die Anforderungen des Tages zu wappnen. CRF sorgt dafür, dass wir Energiereserven

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