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Darm mit Charme: Alles über ein unterschätztes Organ (German Edition)

Darm mit Charme: Alles über ein unterschätztes Organ (German Edition)

Titel: Darm mit Charme: Alles über ein unterschätztes Organ (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giulia Enders
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hilfreich sind. Ein paar Fakten sind wissenschaftlich schon bekannt. Unsere Darmmikrobiota wiegt bis zu 2 Kilo und beherbergt rund 100 Billionen Bakterien. In einem Gramm Kot sind mehr Bakterien als Menschen auf der Erde. Bekannt ist außerdem, dass die Mikrobengemeinschaft unverdauliches Essen für uns aufknackt, unseren Darm mit Energie versorgt, Vitamine herstellt, Gifte oder Medikamente abbaut und unser Immunsystem trainiert. Verschiedene Bakterien stellen unterschiedliche Stoffe her: Säure, Gase, Fette – Bakterien sind kleine Produzenten. Wir wissen, dass unsere Blutgruppen durch Darmbakterien zustande kommen oder dass man von üblen Gesellen Durchfall bekommt.

Abb.: Die Bakteriendichte in verschiedenen Darmabschnitten.
    Nicht bekannt ist, was das alles für den Einzelnen bedeutet! Wir merken ziemlich schnell, ob wir uns Durchfallbakterien eingefangen haben. Aber merken wir auch etwas von der täglichen Arbeit der vielen Millionen, Milliarden, Billionen anderen Winzigwesen in unserem Körper? Spielt es vielleicht auch eine Rolle, wer genau uns da besiedelt? Bei Übergewicht, Mangelernährung, Nervenkrankheiten, Depressionen oder chronischen Darmproblemen stößt man auf veränderte Bakterienverhältnisse im Darm. Mit anderen Worten: Wenn etwas schiefläuft bei unseren Mikroben, laufen wir vielleicht auch schiefer.
    Vielleicht hat jemand bessere Nerven, weil er einen beachtlichen Bestand an Vitamin-B-produzierenden Bakterien besitzt. Ein anderer kann aus Versehen angeknabbertes Schimmelbrot besser wegstecken oder wird viel schneller dick durch etwas übermütig zufütternde Moppelbakterien. Die Forschung fängt an, den Menschen als Ökosystem zu begreifen. Noch geht die Mikrobiotaforschung zur Grundschule und hat eine Zahnlücke.
    Als man Bakterien noch nicht gut kannte, zählte man sie zu den Pflanzen – daher der Begriff »Darmflora«. Eigentlich ist der Begriff »Flora« also nicht ganz korrekt, aber er ist schön anschaulich. Ähnlich wie Pflanzen haben Bakterien unterschiedliche Eigenschaften, wenn es um ihren Wohnort, ihre Nahrung oder den Grad ihrer Giftigkeit geht. Wissenschaftlich korrekt sagt man Mikrobiota (= kleine Leben) oder auch Mikrobiom zu unserer Mikrobensammlung und ihren Genen.
    Generell kann man sagen, dass in den oberen Abschnitten des Verdauungsschlauchs weniger und in den unteren Abschnitten wie Dickdarm und Rektum sehr, sehr viele Bakterien sitzen. Manche bevorzugen den Dünndarm, andere leben ausschließlich im Dickdarm. Es gibt große Fans des Blinddarms, brave Schleimhauthocker und etwas frechere Kollegen, die sich ganz nah an unsere Darmzellen setzen.
    Es ist nicht immer leicht, die Darmmikroben im Einzelnen kennenzulernen. Sie lassen sich nicht so einfach aus ihrer Welt mitnehmen. Setzt man sie im Labor auf Nährböden, um sie zu beobachten, machen sie einfach nicht mit. Hautkeime würden munter das Laborfutter essen und zu kleinen Bakterienbergen heranwachsen – bei Darmkeimen läuft das nicht. Über die Hälfte der Bakterien aus unserem Verdauungsschlauch sind einfach zu sehr an uns gewöhnt, als dass sie außerhalb überleben könnten. Unser Darm ist ihre Welt. Dort sind sie geschützt vor Sauerstoff, sie mögen feuchte Wärme und schätzen das vorgekostete Essen.
    Vor zehn Jahren hätten viele Wissenschaftler vermutlich noch behauptet, dass es einen festen Bestand an Darmbakterien gibt, der bei allen Menschen ungefähr gleich ist. Wenn sie Kot auf einen Nährboden ausstrichen, fanden sie beispielsweise immer E.coli-Bakterien. So einfach war das. Heute können wir mit Geräten ein Gramm Kot molekular abtasten. Dadurch findet man genetische Überreste von vielen Milliarden Bakterien. Wir wissen mittlerweile, dass E.coli weniger als ein Prozent der Wesen im Darm ausmacht. Es gibt in unseren Därmen mehr als tausend verschiedene Bakterienspezies. Dazu kommen außerdem Minderheiten aus dem Reich der Viren und Hefen, sowie Pilze und diverse Einzeller.
    Unser Immunsystem wäre die erste Instanz, die etwas an dieser massiven Besiedelung auszusetzen hätte. Auf seiner Agenda steht ziemlich weit oben: Körper gegen Fremdes verteidigen. Manchmal bekriegt das Immunsystem schon kleine Pollen, die versehentlich in unsere Nase eingebogen sind. Allergiker reagieren darauf mit einer laufenden Nase und roten Augen. Wie kann da gleichzeitig ein bakterielles Woodstock in unseren Eingeweiden abgefeiert werden?

Das Immunsystem und unsere Bakterien
    Jeden Tag könnten wir mehrere Male sterben.

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