Darwin - Das Abenteuer Des Lebens
Menschheit.« Wie künstlich gezogene Schaumkronen ziehen sich über das gekräuselte Wasser Reihen weißer Schwimmer, an denen die großflächigen Netze der Fischfarmen hängen.
Gleich neben seinem Büro, in Hallen aus schlichtem Wellblech, stehen runde Bottiche aus grünem Kunststoff, mit Netzen überspannt. Drinnen ziehen unter ständigem Wasserzufluss Tausende Fische ihre Kreise. Automatische Fütterungssysteme, Filteranlagen und die blauen Rohre der Wasseraufbereitungsanlagen. Nichts verrät, dass hier ein Mensch auf klassische Weise, aber mit modernsten Mitteln Gott spielen darf: Lebewesen erschaffen, die es in der freien Natur so nie gegeben hat und ohne menschliche Manipulation auch nie geben würde.
Hevia erforscht die Züchtung von Speisefischen nach alter Väter Art, indem er gewünschte Eigenschaften auswählt und Rassen optimiert: Widerstandskraft gegen Krankheiten, Futterverwertung, Muskelanteil am Fleisch. Versuchsreihen, Prototypen, Funktionsprüfungen, Härtetests. Nur was sich bewährt, wird bewahrt. Erfolgsmodelle setzen sich durch - die Guten ins Töpfchen, die Schlechten ins Kröpfchen. »Wir erweitern die Kunst der Zucht auf die Bewohner der Meere.«
Es ist die Arbeit von Leuten wie Martin Hevia und unzähliger Vorgänger, die Darwin schon bald nach der Heimkehr dem gesuchten Mechanismus der Evolution einen entscheidenden Schritt näherbringt: Wenn sich Arten, wie fossile Zeugnisse nahelegen, entwickeln und anpassen können, wer demonstriert diese Anpassungsfähigkeit täglich vor unseren Augen besser als Züchter?
Begonnen hat es mit Zähmung. Vor rund vierzigtausend Jahren macht der Mensch den Wolf zu seinem Begleiter. Wölfe als gefährliche Raubtiere haben auch »Hündisches« an und in sich. Sie lassen sich abrichten, die einen mehr, andere weniger. Etwa zwanzigtausend Jahre leben die Steinzeitgenossen mit den zahmsten und verjagen oder töten die wilderen. Dann lassen sich anhand von Knochenfunden erste Anzeichen von Veränderungen im Aufbau der Tiere erkennen. Der Mensch kommt auf den Hund. Ohne dessen Dienste wäre unsere weitere Entwicklung vermutlich gar nicht möglich gewesen. Hunde wachen und warnen, bei Tag und bei Nacht. Sie vertreiben und bekämpfen Raubtiere und andere Eindringlinge, vor allem auch menschliche. Sie helfen bei der Jagd und hüten das Vieh. Bis heute sind Homo und Hund einander treu geblieben. Wo immer auf der Welt Menschen leben, trifft man auf das erste Haustier. Domestikation war aller Züchtung Anfang.
Irgendwann müssen unsere Vorfahren das Prinzip der Selektion verstanden haben. Wenn nur die zahmsten Wolfshunde sich fortpflanzen, werden die Nachkommen mit der Zeit immer zahmer. Dazu mussten die Menschen bereits ein intuitives Verständnis für ein zweites Prinzip der Evolution besitzen: die Variation. Die einen sind größer, stärker, geschickter als andere. Manche Pflanzen bringen mehr Samen hervor, einige Körner sind dicker als andere, und auch nicht alle Kartoffeln sind gleich.
Seit mindestens zehntausend Jahren besitzen Menschen eine Art geahntes Grundwissen über das Wesen der Vererbung. In Vorderasien finden sich erste Spuren einer gezielten Einflussnahme auf das Erbgut von Pflanzen und Tieren: Weizen, Erbsen, Schafe, Ziegen. Bald darauf in China Reis und Hirse, Schwein und Seidenspinner, in Mittelamerika Mais, Bohnen und Truthähne, in Neuguinea Zuckerrohr und Bananen. Relativ bald überschreiten die Bauern bei ihren Züchtungen die Grenzen der natürlichen Variabilität. Sie schaffen Formen, die in freier Natur nicht vorkommen. Zucht zeigt, was im »Wildtyp« steckt. Nirgendwo ist das augenfälliger als beim Hund. Dass Dobermann und Dackel zur selben Spezies gehören und gemeinsam Nachwuchs haben können (wenn man ihnen hilft), gehört zum Merkwürdigsten, was Züchtung hervorgebracht hat.
Modernen Erzeugern von Nahrungsmitteln (und Rohstoffen wie Baumwolle) geht es in der Regel um Ertrag, Handhabbarkeit und Widerstandskraft. Über Generationen haben sie ihre Nutzpflanzen und Haustiere so weit von deren biologischen Ursprüngen weggezüchtet, dass manche kaum noch Ähnlichkeiten mit ihren wilden Verwandten zeigen und ohne menschliches Zutun nicht überleben könnten. Dabei haben die Veredler ihre Erzeugnisse an die Grenzen des »natürlich« Machbaren gebracht und mit Gentechnik neuerdings auch darüber hinaus - hier das Schwein mit Extrarippen, dort der Superweizen.
Würden alle Zuchtprodukte aus den Regalen der Supermärkte verschwinden,
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