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Darwin - Das Abenteuer Des Lebens

Titel: Darwin - Das Abenteuer Des Lebens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juergen Neffe
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verarbeitet. Bis heute fährt einmal wöchentlich eine geräumige Fähre nach Puerto Montt in Südchile. Sie braucht drei Tage und Nächte. Nach etwa einem Drittel ihres Weges trifft sie auf die Spur der Beagle. Meine Kabine, Raum 121, liegt erneut auf Steuerbord.
    Das Autodeck ist nicht mal zur Hälfte gefüllt. Die Passagierkabinen sind ausgebucht. Der ehemalige Geheimtipp steht heute in allen Reiseführern. Menschen jeden Alters und aus aller Herren Länder, Familien mit Kindern aus Kanada, Reisegruppen aus Japan, strickende
Mädchen aus Deutschland und Wanderer aus Spanien suchen das Abenteuer mit Jugendherbergscharme. Enge Achtbettkabinen, Kantinenessen in zwei Schichten, Diavorträge und ein Ausflug zum Gletscher Pio XI, nach dem vorletzten der Pius-Päpste benannt. Auf Chile hat sich der Vatikan immer verlassen können. Und umgekehrt. Die Fähre heißt Evangelistas.
    Etwa auf halber Strecke - im Speisesaal läuft Beethovens Neunte - ankern wir vor Puerto Eden, wo die Bibel für eine Lüge missbraucht worden ist: Das Dorf gehört zum Elendsten, das man sich vorstellen kann. Etwa dreihundert Menschen, die letzten versprengten Kaweskar, wohnen hier ohne weitere Verbindung zur Außenwelt am Mesier-Kanal. Es sind Feuerländer, die früher wie die Yámana auf Kanus lebten und mit denen keiner etwas anzufangen weiß, seit man ihnen Land und Lebensstil genommen hat. Heute werden sie von der Regierung durchgefüttert. In ihrem Garten Eden, genauso sumpfig, nass und voller Fäulnis wie der Rest von Feuerland, wachsen allenfalls Kohl und Sellerie.
    Die Lieferung von Lebensmitteln wird mit der kleinen Libertad von der Fähre an die Anlegestelle gebracht. Dort zieht ein Motor die Ladung auf einem Schlitten den Hang hinauf zum Krämerladen. Falls die Maschine funktioniert. Wenn nicht, mühen die Männer sich ab mit der Last. Ohne weiter darüber nachzudenken, fasse ich mit an. Sie danken freundlich.
    Da spricht mich die Ladenbesitzerin an: »Was machst du da? Reiche Menschen arbeiten nicht.« - »Ich helfe gern.« - »Willst wohl in den Himmel kommen?« - »Deshalb habe ich es nicht getan.« - »Aber der Himmel gehört euch nicht. Er gehört uns Armen.« - »Das habe ich noch nie gehört.« - »Für uns enthält er eine ganze Welt, unsere Träume, Wünsche, Hoffnungen.« - »Aber für mich doch auch.« - »Nein, für die Reichen ist der Himmel leer. Die haben alles hier auf Erden.« Schön, wenn sie dran glaubt.
    Die Evangelistas erreicht den offenen Pazifik. Unbarmherzig rollt die Brandung unterm Kiel. Wellen schlagen sturmgepeitscht auf das zerklüftete Land. Der Anblick einer solchen Küste genügt, dass eine Landratte eine Woche lang von Wracks, Gefahr und Tod träumt, und mit diesem Anblick sagten wir Feuerland auf immer Lebewohl.

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    Südchile

    Puerto Montt · Züchtung · Die natürliche Auslese · Darwins Werk und Malthus’ Beitrag · Das Prinzip Chancengleichheit · Überbevölkerung · Die Insel Chiloé · Vererbung nach Mendel · Evolutionsmotor Mutation · Das Prinzip Zufall · Erste Skizze der Theorie · Darwins Haus in Kent · Das Erdbeben von Concepción
     
     
    Alles Große hat einmal klein begonnen. So auch hier, in Puerto Montt, im Süden des schlauchförmigsten Landes der Erde, wo die Evangelistas nach zuletzt stürmischer Fahrt pünktlich angelegt hat. Anfangs scheint der feste Boden noch zu schwanken. Der Körper will das Rollen eines Schiffes ausgleichen, das er längst verlassen hat. Über die Straße vom Fischereihafen ins Zentrum der Provinzstadt mühen sich unablässig Lastwagen mit schweren Plastikbottichen auf den Ladeflächen. Nur langsam bewegen sie sich vorwärts unter dem Gewicht ihrer Ladung, als müssten sie den Inhalt schonen wie ein gefährliches Gut. Was in aller Welt wird hier transportiert?
    »Zukunft«, sagt Martin Hevia. »Oder anders ausgedrückt: Das Ergebnis jahrelanger Arbeit.« Der Meeresbiologe leitet unweit der Hafenstadt ein Forschungslabor der »Fundación Chile«, in dem das Neue einen alten Namen trägt: Zucht. Das Fachgebiet des Zweiundvierzigjährigen: Aquakultur. Was da im Schneckentempo in Trögen durch den Ort kriecht, besteht vor allem aus Salzwasser und seiner lebendigen Fracht: Fisch. Nach der Aufzucht in Stationen an Land wird er zu den Mastfarmen auf offener See gebracht. Hevia zeigt aus dem Fenster seines Büros auf die weite Bucht von Puerto Montt. »Da wächst und gedeiht, was Sie morgen auf dem Teller haben, und nicht nur Sie, sondern auf Dauer die ganze

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