Darwin - Das Abenteuer Des Lebens
erhält von der Royal Geographical Society den Auftrag, den malaiischen Archipel zu erforschen.
Wie Darwin öffnet ihm der Wechsel vom Kontinent in eine Inselwelt die Augen. Im Reisebericht seines vierzehn Jahre älteren Landsmanns hat er über den außerordentlichen Reichtum einheimischer Spezies auf Eilanden gelesen. Nun sieht er eine Welt aus Tausenden von Inseln vor sich, wie Darwin sie nie erblickt hat. Auf Sarawak nutzt er im Jahr 1855 eine erzwungene Pause durch den Monsun, um zunächst einen kleinen Aufsatz »Über das Gesetz, das die Einführung neuer Spezies regelt« zu schreiben. Eine populärwissenschaftliche Zeitschrift in England druckt den Text ab. Darin schlägt Wallace eine Evolutionstheorie vor, die er - wie Darwin - mit der räumlichen und zeitlichen Nähe verwandter Arten begründet.
Darwin liest den Artikel - und verkennt seine Brisanz. Nichts Neues , notiert er an den Rand. Für ihn vielleicht nicht, doch für den Rest der Welt sehr wohl. Benutzt mein Bild des Baumes , bemerkt er, doch für ihn erscheint das alles als Schöpfung. Wie schon bei dem reißerischen Bestseller des Anonymus beruhigt er sich damit, dass der andere keinen Mechanismus für die Evolution vorschlagen kann. Seine Exklusivität schrumpft, aber diese Perle gehört ihm allein. Doch wie lange noch?
Am Tag, als er die Arbeit mit seinen Rankenfüßern abgeschlossen hat, schreibt Darwin in sein Tagebuch: Angefangen, Notizen für die Theorie der Spezies zu sortieren. Nun sieht er den Zeitpunkt gekommen, weitere Männer ins Vertrauen zu ziehen. Im April 1856 lädt er dazu eine erlauchte Runde zu sich nach Down. Neben Hooker kommen der Insektenspezialist T. Vernon Wollaston aus Cambridge sowie der Anatomieprofessor Thomas Henry Huxley, der in London mit seinen Vorlesungen für Arbeiter Furore macht und vielfach als einschüchternd gescheit beschrieben wird. Huxley hält sich mit Meinungen über die natürliche Auslese zurück und überschüttet Darwin stattdessen mit Fragen. Der sieht die Bedenken eher als Anregung denn als Ablehnung und zeichnet sie sorgfältig auf.
Charles Lyell hört von dem Treffen und erkundigt sich, was dort diskutiert worden sei. Wenige Tage später weiht Darwin auch seinen geologischen Übervater ein. Lyell erkennt, dass Darwin viel weiter gedacht hat als Lamarck oder der Anonymus, dessen Buch Huxley in seiner Kritik zerfetzt hat. Die Vorstellung einer Evolution lehnt Lyell zunächst ab, weil er sich Sorgen um die Stellung des Menschen macht. Doch er hat den Artikel von Wallace gelesen und erkennt augenblicklich,
dass sich in der Ferne etwas zusammenbraut. Obwohl er als überzeugter Kreationist Darwins Konzept anfänglich anzweifelt, drängt er ihn, aufrichtiger Wissenschaftler, der er ist, seine Gedanken zu veröffentlichen. »Raus mit der Theorie«, fordert er den ersten wichtigen Unterstützer seines Gradualismus auf, »lass sie ein Datum annehmen, zitiert und verstanden werden.«
Darwin schwankt. Die Vorstellung, um der Priorität willen zu schreiben, ist mir ziemlich unsympathisch; andrerseits würde ich mich gewiss ärgern, wenn jemand vor mir meine Thesen publizierte. Am 14. Mai 1856 macht er sich daran, einen »Entwurf« seiner Theorie aufzuzeichnen. Gleichzeitig setzt er seine Experimente mit unvermindertem Eifer fort und sammelt weiter Informationen von Anatomen, Botanikern, Züchtern und Zoologen. Etwa vierzehntausend Briefe wird seine Korrespondenz am Ende umfassen. Sogar Wallace bittet er um Exemplare von dessen Sammlung aus Asien. Damit tritt er die Lawine erst los, die ihn bald zu überrollen droht.
Der Gegenspieler im fernen Borneo kann sein Glück kaum fassen. Ein anerkannter Naturforscher wie Darwin bittet ihn um Hilfe! Und dann ermutigt ihn dieser Mann, den er als Vorbild verehrt, auch noch in seiner theoretischen Arbeit. An Ihrem Brief und noch mehr an Ihrem Aufsatz in den Annalen, schreibt ihm Darwin am 1. Mai 1856, erkenne ich klar, dass wir ganz gleich gedacht haben. Schöner kann man einen jungen Kollegen nicht ermuntern. Und nicht nur das. Er spornt den Konkurrenten geradezu an, indem er ihm anvertraut: Dieser Sommer markiert das 20. Jahr (!), seit ich mein erstes Notizbuch über die Frage begonnen habe, wie und auf welche Weise Spezies und Varietäten voneinander abweichen. … Ich bereite mein Werk gerade zur Veröffentlichung vor.
Er muss Wallace unterschätzt haben. Statt sich auf die einzig wichtige Aufgabe zu konzentrieren, verstrickt sich Darwin erneut in Details. Immer
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