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Darwin - Das Abenteuer Des Lebens

Titel: Darwin - Das Abenteuer Des Lebens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juergen Neffe
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aufgestellt? Was hat zu deren Sturz geführt? Das Staunen beginnt beim niederländischen Seefahrer Jacob Roggeveen, der die Insel am Ostersonntag 1722 als erster Europäer betritt und nach dem Feiertag tauft. »Wir konnten nicht verstehen«, notiert er, »wie Menschen, die weder über dicke Holzbalken zur Herstellung irgendwelcher Maschinen noch über kräftige Seile verfügten, dennoch solche Bildsäulen aufrichten konnten.«
    Moderne Zählungen führen fast neunhundert behauene Steine auf. Knapp die Hälfte steht oder liegt noch im vorzeitlichen Steinbruch von Rano Raraku. Aus dem vorherrschenden Tuff, ideal für Steinmetze, stammen alle Steinmänner der Insel. Die Freiluftwerkstatt erzählt das Drama von Rapa Nui. Wie verlassene Ateliers verteilen sich Arbeitsbereiche am Außen- und Innenrand des sechshundert Meter weiten Kraters. Alle Stufen der Produktion sind zu sehen. Die einen unvollendet und noch mehr oder weniger fest mit dem Muttergestein verbunden, andere stehen wie zum Abtransport am Hang bereit. Schon aus der Ferne schauen sie uns an mit ihren langen Gesichtern, die schmalen Lippen fest verschlossen, die eckig geschnittenen Häupter leicht nach hinten geneigt - abwesende Blicke aus dem Schatten wuchtiger Stirnen in endlose Firmamente.
    Die Szene wirkt wie das Set eines Films, dessen Darsteller sich mal eben die Beine vertreten. Lass sie zurückkehren und die Aufnahme weiterlaufen, und du hörst sie förmlich hämmern, siehst sie wuchten, stemmen, hebeln oder mit reichen Kunden durch den Schauraum spazieren, um einen passenden Grabstein für die Ewigkeit zu empfehlen. Und dann die Hundertschaften, die mit Seilen, womöglich über Rollen, die tonnenschwere Ware kilometerweit zerren. Die sie an Ort und Stelle Stück für Stück mithilfe von Steinrampen auf den »Ahu« bugsieren, einen Sockel aus mächtigen Felsquadern. Viele technische Fragen sind mittlerweile geklärt, Hypothesen durch praktische Versuche erhärtet worden. Die Rapa Nui verfügten über ausgefeilte Techniken und intuitives physikalisches Wissen.

    Irgendwann im 17. Jahrhundert muss etwas passiert sein, das ihr Schaffen jäh beendet. Sie lassen alles stehen und liegen, selbst Äxte und Pickel aus Basalt, mit denen sie den Tuff geformt haben, verlassen Hals über Kopf ihre Manufaktur und kehren nie wieder dorthin zurück. Ihre Arbeit und Ware muss plötzlich den gesamten Wert verloren haben, der Markt von einem Augenblick auf den anderen zusammengebrochen sein. Im Lager bleibt die Produktion, die sich nicht mehr losschlagen lässt. Was aber könnte eine Epoche, die ein halbes Jahrtausend gedauert hat und offenbar noch in später Blüte stand, so abrupt beendet haben wie ein Meteorit vermutlich die Zeit der Dinosaurier?
     
    Die Insel der tausend Fragen rührt tiefer an den Kern der Neugier als gewöhnliches Interesse an technischen Problemen. Eine ausgestorbene Kultur berührt das Innerste. Man empfindet, wenn es das gibt, eine Art historisches Mitgefühl. Ohne äußere Feinde oder Naturkatastrophen hat sich eine offenbar hoch entwickelte Steinzeitgesellschaft von innen her ausgehöhlt, und das in kürzester Zeit. Es gibt vielleicht keinen Ort auf der Welt, wo sich der Unterschied in den Zeitskalen von kultureller und biologischer Evolution eindrucksvoller nachfühlen lässt.
    Als sicher gilt, dass die Einwohner der Osterinsel aus Polynesien stammen. Ob sie schon achthundert oder erst zwölfhundert Jahre nach der Zeitenwende hier landeten, ob in einem Schub oder in mehreren, ob sie tatsächlich eine Zahl von fünfzehn- oder zwanzigtausend erreichten, bleibt wie vieles kontrovers. Kaum zu bezweifeln ist, dass ihre Kultur bereits im Niedergang oder weitgehend ausgelöscht war, als Europäer sie erstmals erblickten und dann vollends zerstörten. Unumstritten ist ebenfalls, dass die Insel bis vor etwa zwölfhundert Jahren vielfältige Lebensgemeinschaften trug, subtropische Wälder aus hohen Bäumen und dichtem Gebüsch mit den mächtigsten Palmen der Welt. Tatsache ist ferner, dass alle größeren einheimischen Bäume seither verschwunden sind. Schätzungen sprechen allein bei den Palmen von sechzehn Millionen Exemplaren. Eine Menge Holz für eine Insel von der halben Fläche Stuttgarts.
    Es könnten fünfzig Menschen gewesen sein, die hier landeten. Nach der Überlieferung, festgehalten von europäischen Besuchern
Ende des 19. Jahrhunderts, sind die Pioniere auf einem oder zwei großen Kanus gekommen: Häuptling Hotu Matu’a - »Großer

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