Darwin - Das Abenteuer Des Lebens
in die Gebärmutter auf mögliche Erbkrankheiten untersucht. Heute bieten Fortpflanzungskliniken die Tests routinemäßig auch zur Geschlechtsbestimmung an: Drei Viertel in den USA entscheiden sich für Jungen. In Ländern, die traditionell männliche Nachkommen bevorzugen, ein Riesenmarkt. In China, sagt Holland, rollen sie Experten wie ihm rote Teppiche aus. Indien mit seiner schnell wachsenden Mittelklasse meldet ebenso schnell steigenden Bedarf. Ethische Bedenken zählen wenig. Selbst das Herstellen menschlicher Klone werde mit Hinweis auf Wiedergeburt und den Lebenskreislauf eher begrüßt.
Der Institutsleiter arbeitet daran, große Mengen von Embryonen aus dem Erbgut der biologischen Eltern zu produzieren und nach ausgiebiger genetischer Analyse die »besten« auszusuchen. Noch schränkt die geringe Zahl an reifen Eizellen, die einer Mutter entnommen werden können, die Varianten ein, die getestet werden können. Sie lässt neben der Entscheidung für Jungen oder Mädchen in der Regel nur negative Selektion zu: Droht eine Erbkrankheit, wird der Embryo aussortiert.
Die Wahl des Geschlechts sieht Holland als Einfallstor in eine ungleich größere Zukunft. Der Glaube an die Macht der Gene werde weitere Türen öffnen. Wenn sich Eltern auf der einen Seite Umweltvorteile
für ihren Nachwuchs leisten können, etwa durch gute Bildung und Ernährung, dann werden sie erst recht in die Genetik ihrer Kinder investieren, sobald das möglich ist. Holland und Kollegen arbeiten an einem Verfahren, die Auswahlchancen zu vervielfachen und damit auch positive Selektion zu ermöglichen - oder anders gesagt: Menschenzucht.
Dahinter steckt die Idee, dass Embryonen Stammzellen produzieren, aus denen sich noch alle Gewebe entwickeln können - Neuronen, Knochenmarks-, Haut-, aber auch Keimzellen. Wenn Stammzellen dazu gebracht werden, sich direkt zu Samen- oder Eizellen zu entwickeln, dann stünden diese plötzlich praktisch unbegrenzt zur Verfügung. Wieder ein neues Kapitel in der schönen neuen Welt der Reproduktion: Embryonen sollen, ohne auszuwachsen, neue Embryonen erzeugen. »So könnten alle möglichen Kombinationen von Ei- und Samenzellen ausprobiert werden. Wenn dann noch genetische Selektion dazu führt, dass nur die wertvollsten Embryonen ausgewählt werden, haben wir ein paar ziemlich interessante Fragen zu erörtern.« Geforscht wird an Tieren, gedacht an Menschen. Auf diese Weise könnte auf lange Sicht überdies jeder Mensch, gleich welchen Alters, Kinder bekommen - Neugeborene ebenso wie Greise.
Je gezielter biologische Eltern über die genetische Ausstattung ihres eigenen Nachwuchses bestimmen dürfen, sagt Holland, desto rascher werde wie bei der Reagenzglasbefruchtung die Akzeptanz zunehmen. »Sobald die Leute es sich leisten können«, da ist er sich sicher, »wird es kommen. Wir stehen unmittelbar davor.« Das Verfahren könnte so normal werden wie jetzt Ultraschalluntersuchungen. Der Reproduktionsbiologe gehört nicht zu den Leuten seines Fachs, die Forschungsfreiheit mit einem Freibrief für unbegrenzte Forschung verwechseln. Auch er hat seine ethischen Grenzen, die allerdings jenseits dessen liegen, was viele Moralphilosophen für hinnehmbar halten.
So glaubt er etwa, dass Manipulation menschlichen Erbguts, etwa durch den Austausch oder Einbau von Genen, viel zu riskant sei, solange das Genom so wenig verstanden sei. Und das könne noch sehr lange so sein. Solche Gentransfers jetzt zu probieren wäre fast so unverantwortlich, als ließen wir mittelalterliche Kupferschmiede an einem Düsentriebwerk basteln. Bei Tieren fallen Fehlversuche aus
Sicht der Wissenschaft nicht ins Gewicht. Experimente lassen sich fast beliebig wiederholen, Proben verwerfen. Dagegen stelle jede Manipulation an Menschen zum jetzigen Zeitpunkt nichts anderes dar als ein Experiment am lebenden Subjekt. Das schließe aber nicht aus, dass es probiert werde.
Ganz anders sieht Holland seine eigene Arbeit: »Solange wir Embryonen mit natürlichem Erbgut auswählen, wird der Natur nachgeholfen und die Erfolgschance in der Lotterie des Lebens erhöht.« - »Wird Eltern damit nicht eine unerträgliche Bürde aufgeladen?« - »Im Gegenteil: Schon bald wird es als unakzeptabel gelten, dem Nachwuchs die bestmögliche genetische Ausstattung zu verweigern.«
Der fünfundfünfzigjährige Forscher glaubt fest daran, noch zu seinen Lebzeiten die Früchte seiner Arbeit zu sehen. »Wir gestalten Evolution und manipulieren die Zukunft.« - »Damit,
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