Darwin - Das Abenteuer Des Lebens
für viel Geld klonen. So werden Technologien im veterinären Bereich immer weiter zur Routine perfektioniert, bis sich Anwendungen in der Medizin des Menschen abzeichnen.
HOMO SAPIENS als extremer K-Stratege - wenig Nachwuchs, viel Investition in jeden Nachkommen - wird auf Dauer alles zulassen, was das gesunde Überleben seiner Kinder sichert, glaubt Holland. »Was denken Sie, wer den Fortschritt vorantreibt? Wenn Sie das wissen wollen, müssen Sie nur schauen, welchen Weg das Geld nimmt.« Holland spricht Klartext, kein Pardon, kein Alibi.
»Die Investitionen in genetisch modifizierte Organismen weltweit nehmen sprunghaft zu. Welternährung verspricht hohe Verzinsung. Der Einfluss großer Unternehmen auf die Wissenschaft ist enorm. Wenn die Techniken ausgereift sind, drängen sie zum Menschen. Die Bereitschaft, alles für seine Gesundheit zu tun und das Bestmögliche für seine Kinder, schafft riesige Märkte, Lobbyisten haben leichtes Spiel. Investoren erwarten für die nächsten fünfzig Jahre auf diesem
Sektor ein rasantes Wirtschaftswachstum. Die Politik gerät unter Druck.«
Im Labor am anderen Ende des Flures läuft gerade ein Workshop: neue Gefriertechniken für menschliche Embryonen. Zur Übung werden Maus-Eizellen befruchtet, die Keime bei minus 196 Grad Celsius »vitrifiziert«, ohne Eiskristallbildung eingefroren. Die Teilnehmer, mehrheitlich Frauen, kommen aus Kliniken in Australien, aber auch aus dem Nachbarland Indonesien. Stille Musliminnen mit Kopftuch vor deutschen Mikroskopen. Darunter werdendes Leben als winzige Blase auf feiner Glasspitze. Latexhandschuhe, Pipetten, dampfendes Kunsteis. »Wir haben einen wachsenden Bedarf an künstlicher Befruchtung«, erklärt Novita aus Jakarta. »Unfruchtbarkeit ist ein schlimmes Problem, das sich beheben lässt.« Und woher rührt die Unfruchtbarkeit? »Von Luftverschmutzung und Pestiziden«, sagt die junge Medizintechnikerin - also von der Umwelt.
Kultur überwindet Biologie. Wo unter natürlicher Auslese die Linie ein Ende fände, weil sie mit der Umwelt nicht zurechtkommt, hilft der Mensch nach. Die Kinder aus künstlicher Befruchtung entwickeln sich nach allem, was wir wissen, normal. Aber seit befruchtete Eizellen in die Labore geraten sind, ist der nächste Dammbruch nur eine Frage der Zeit. »Man kann versuchen, die Umwelt zu verbessern oder die Gene«, sagt Holland. »Wir sind für die genetische Seite zuständig.«
Als Australier steht er fest in der utilitaristischen britischen Tradition. Solange kein bewusstes Leben beeinträchtigt wird, soll die Forschung zum möglichen Nutzen der Medizin auch menschliches Leben manipulieren dürfen. Im Frühjahr 2008 beschließt das britische Unterhaus, dass Hybride aus menschlichem Erbgut und tierischen Eizellen erzeugt werden dürfen. Außerdem wird erlaubt, dass Eltern gezielt Embryonen herstellen lassen, die - wie Ersatzteillager - einer lebensrettenden Therapie älterer Geschwister dienen könnten. Das sogenannte therapeutische Klonen ist in England schon lange zulässig.
Australien hat ähnlich liberale Bestimmungen wie Großbritannien. Was religiös- wie umweltbewegte Kritiker empört, findet bei Forschern wie Professor Holland begeisterten Beifall. Für ihn hat die Zukunft bereits begonnen, und wenn man ihn nicht stoppt, dann sprudelt seine ganz eigene Mischung aus Begeisterung und Realitätssinn
nur so aus ihm heraus. »Bei Tieren erzeugen wir längst Kreaturen, die durch Evolution nie entstanden wären. Bei Menschen fangen wir damit gerade erst an. Es gibt grundsätzlich zwei Wege, die Genetik zu verbessern. Man kann das Erbgut direkt verändern. Aber noch verstehen wir zu wenig davon, wie das Genom funktioniert. Je mehr wir von der Epigenetik« - der »Prägung« von Erbanlagen - »wissen, desto gezielter können wir das Potenzial der vorhandenen Gene nutzen.« In der pharmazeutischen Industrie herrsche bereits epigenetische Goldgräberstimmung. Genetisch manipulierte Tiere produzieren längst Wirkstoffe. Demnächst wird es Milch geben, die uns jünger aussehen lässt. Oder den Blutdruck senkt. Werden wir sie trinken? »Am Ende ist alles eine Frage des Preises«, sagt Holland.
Seit die »Präimplantationsdiagnostik« (PID) im Jahr 1990 erstmals erfolgreich eingesetzt wurde, habe ihre Akzeptanz ähnlich rasch zugenommen wie seinerzeit die der künstlichen Befruchtung. Die PID sei nur der logische nächste Schritt gewesen. Embryonen werden außerhalb des Mutterleibs erzeugt und vor dem Einsetzen
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