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Darwin - Das Abenteuer Des Lebens

Titel: Darwin - Das Abenteuer Des Lebens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juergen Neffe
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ausdehnt. Ob sich die beiden Sphären jemals unter einem Dach zusammenführen lassen? Die Physik bemüht sich, Quantentheorie und Allgemeine Relativitätstheorie in einer »Theory of Everything« zu vereinen. Doch wenn sie das Wörtchen »alles« ernst nähme, müsste sie freilich auch das Leben erklären.
     
    Darwins freundliche Worte über Tasmanien haben ihre Wirkung nicht verfehlt. Nirgendwo treffe ich mehr Darwin-Experten als dort. »Er war ein verdammt guter Geologe«, schwört David Leaman, der auch zu dieser Zunft gehört. Einer von denen, die Steine zum Sprechen bringen. In Tasmanien findet Darwin Gesteine und Felsformationen, wie er sie in Patagonien gesehen hat. Er vergleicht Kieselsteine und Felsen in Hobart mit solchen in Tierra del Fuego. Über fünfzig Gesteinsproben nimmt er mit nach Hause, mehr als von den meisten anderen Orten. Aus Basaltformationen am Strand, wo heute Bellerive Village liegt, schließt er, dass in grauer Vorzeit hier ein aktiver Vulkan gestanden haben muss.

    Spurgenau führt mich Leaman in Darwins Fußstapfen über den felsigen Strand. Jede einzelne Felsspalte scheint er mit Namen zu kennen. Wir sehen zahlreiche Eindrücke von Baumblättern sowie von Landmuscheln … , die heute nicht mehr existieren, begegnen fossiliferen Schichten, die dem Devon oder Karbon angehören. Leaman zeigt mir fossile Brachiopoden, kristallinen Feldspat und schwarzen Basalt.
    Dann weist er auf eine Besonderheit hin, die schon Darwin aufgefallen ist: scharfkantige Felsstücke als Einschlüsse im versteinerten Sediment. Ein Musterbeispiel, wie Darwin geologische Probleme gelöst hat: Wie können Steine, manche einfamilienhausgroß, die offensichtlich nicht durch Transport in einem Flussbett rund geschliffen worden sind, auf den tiefen Meeresboden gelangt sein? Leaman strahlt. Für ihn ist Geologie spannender als jeder Thriller. »Die Felsen sind in Eis eingeschlossen gewesen. Wenn sie in Eisbergen aufs offene Meer treiben und dort auftauen, wird der völlig unversehrte, scharfkantige Stein frei und sinkt zu Boden. Darwin hat’s gewusst.«
    Als »Wassergeologe« - das sind Leute, die sich unter anderem mit Grundwasservorkommen befassen - hat sich Leaman vor allem mit einer Gesteinsart beschäftigt, für die es zu Darwins Zeiten noch keinen Namen gab: dem Dolerit. Darwin spricht sehr allgemein von Grünstein. Leaman hat ein ganzes Buch zu dem Thema geschrieben, »The Rock which Made Tasmania«. Es gibt, sagt er, keinen besseren Speicher für Wasser. Tasmanien hat, was Australien fehlt: Wasser mehr als genug. Nur nicht immer an der richtigen Stelle. An den Ortschaften stehen die Anzeigetafeln der Vorräte auf rot. Dahinter gibt es nur noch »empty«. Wenn man den Grünstein als Speicher nutzen würde, sagt Leaman, könnte man sogar Wasser aufs australische Festland exportieren.
    Schließlich oben auf Mount Wellington. Der Tag war herrlich klar, und wir genossen einen sehr weiten Blick; nach Norden hin erschien das Land als Ansammlung bewaldeter Berge … wie der, auf dem wir standen, und mit ebenso sanften Konturen; im Süden lag das zerklüftete Land und das Wasser, das zahlreiche verschlungene Buchten bildete. Die leicht emporsteigende Küste und die Ufer des Flusses Derwent sind von Siedlungen überzogen. Bilderbuchlandschaften, Traumlagen ohne Ende. Hier oben meint man die Anziehungskraft der Insel fast körperlich zu spüren.
    Darwin trifft auf »seinen« Stein. Der Gipfel … ist breit und eben und
besteht aus gewaltigen kantigen Massen kahlen Grünsteins. Er packt seinen Kompass aus. Der Dolerit wirkt stark auf die magnetische Nadel. Offenbar sind die Felsen durch Metalleinschlüsse magnetisiert. Ich orientiere mich im Geröllfeld nach Westen. Nach ein paar Hundert Metern schaue ich auf meinen Kompass. Die Nadel spielt verrückt. Es gibt Dinge, die bleiben. Andere verändern sich. Die Aufgabe der Wissenschaft besteht darin, die Menschen daran zu erinnern.
    Aber Darwin kann in seiner heimwehkranken Ungeduld den Wert seiner Beobachtungen nicht mehr schätzen. Ich machte ein paar Skizzen über die Geologie aller Orte, denen wir nur flüchtige Besuche abstatteten; doch sie können von keinem großen Nutzen sein, schreibt er seinem Vetter William Fox aus Tasmanien. Indem wir [Süd-]Amerika verlassen haben, wo alles verbunden und deshalb interessant ist, hat die Serie an Beobachtungen ein Ende gefunden. In diesem Augenblick hat er seine größte geologische Entdeckung noch vor sich: wie Korallenriffe und

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