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Darwin - Das Abenteuer Des Lebens

Titel: Darwin - Das Abenteuer Des Lebens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juergen Neffe
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keine junge Frau bewegt. Nur ein junger Mann habe nach drüben geheiratet und versucht, nach islamischen Gesetzen zu leben. Aber er sei bald gescheitert.
    Ein weltweit einmaliges Experiment der kulturellen Evolution, das sich die australische Regierung jährlich zwanzig Millionen Dollar kosten lässt, mehr als dreißigtausend für jeden Bewohner. Auch wenn die beiden Gemeinden, zur Schicksalsgemeinschaft verschweißt, ihre Ko-Existenz offensichtlich in Respekt und Herzlichkeit leben: Die halbstündige Fährfahrt trennt zwei Welten. Was geschieht unterhalb der Oberfläche? Wie beeinflussen sie einander? Was bewirkt die gemeinsame
Schulerziehung? Welche Schnittmenge bilden die beiden Kulturen? Wie kann die eine sich gegen die Einflüsterungen der anderen abschotten?
    Wie schwierig das Leben zwischen den Welten manchmal sein kann, davon weiß Ökologe Ismah Lieder zu singen. Wenn er mit der Familie zum Baden geht, muss er einsamste Stellen suchen, da seine Frau den Anblick fremder Männer in Badehose anstößig findet. Der Sohn mit seinen westlich geprägten Spielkameraden auf der einen und der traditionellen Erziehung auf der anderen Seite der Lagune wird wie der Vater keine Probleme haben, die Brücke zwischen den Kulturen zu schlagen. Was aber, wenn das nächste Kind ein Mädchen wird? Darauf kennt Ismah vorerst nur eine Antwort: Schulterzucken.
     
    Wir sind nach Home Island gefahren, wo seine Eltern leben. Er hat in Perth Naturschutz studiert, den er jetzt hier vertritt. Vom Anleger gehen wir zum Nordende der Insel. Auf dem Friedhof, abseits der muslimischen Gräber, liegen unter schweren Grabsteinen die Ahnen des Clunies-Ross-Clans. Gleich hinter dem gemeinsamen Gottesacker gelangen wir zu dem steinigen Strand. Überall trifft man auf Einsiedlerkrebse von mehr als einer Art, welche auf dem Rücken die Muscheln tragen, die sie vom benachbarten Strand gestohlen haben. Tellergroße Landkrebse, die größten ihrer Art, huschen in ihre tiefen Erdlöcher. Mit ihren mächtigen vorderen Scheren, die eine mehr als doppelt so groß wie die andere, soll ein Krebs eine starke, mit ihrer Hülle bedeckte Kokosnuss öffnen können. Wer es je ohne geeignete Werkzeuge versucht hat, würde … es für völlig ausgeschlossen halten, … doch [mein Begleiter] versichert mir, er habe es wiederholt gesehen.
    Lange haben die Menschen ihre Lebensgrundlage neben dem Fischfang ebenfalls auf die nahrhaften »Nüsse« eingestellt. Baumaterial, lagerbare Nahrung, Futter für die Hühner, Exportgut. Doch während die Menschen ihre Technik durch Lehren und Lernen kulturell weitergeben, ist sie dem Krebs angeboren, also biologisch vererbt. Auf eine bis heute unverstandene Weise hat sie sich so ins Erbgut geschrieben, dass ein junges Tier irgendwann einfach »weiß«, wie die Kokosnuss zu öffnen ist. Ich finde das einen merkwürdigen Fall von Instinkt, wie ich von kaum einem gehört habe, ebenso einen der Anpassung der Strukturen zweier
Dinge, die im Plan der Natur scheinbar so fern liegen wie ein Krebs und eine Kokosnuss. Vererbtes Verhaltensrepertoire, vom Nestbau der Spinne bis zum Mauerbau der Biber.
    Vor uns liegt das Riff. Wir ziehen unsere Gummischuhe an und tasten uns über scharfkantige Felsen vorwärts. Das Wasser war ungewöhnlich ruhig, also watete ich über die äußere Bank aus totem Gestein bis hinaus zu den lebenden Korallenwällen, an denen sich die Dünung des offenen Meeres bricht. Man muss dem Polypenrasen sehr nahe kommen, um die einzelnen Tiere zu erkennen. Sobald man sie berührt, lösen sie ein scharfes Hautbrennen aus. Der Reiz war so stark wie bei einer Brennnessel. Beim Annähern unter Wasser lässt sich beobachten, wie sich die Weichtiere blitzartig in ihre Kalkfestungen zurückziehen. Die Strukturen, die sie durch Ausscheidungen bilden - Elchgeweihe, Rollkrägen, Kugeln, Gehirne, geschichtete Platten, Büsche, Bäume, Vasen, Blätter -, erinnern an immer wiederkehrende Muster, wie chaotische Prozesse sie hervorbringen. Solche Regelmäßigkeiten überall in der Natur legen tatsächlich den Verdacht nahe, der Welt liege eine schöne Formel zugrunde.
    Im Wasser habe ich Darwin etwas voraus: eine Taucherbrille mit Schnorchel. Er hat vermutlich nur von der Oberfläche aus mit einer Glasbodenbox ins Wasser geschaut. Ansonsten ist nicht zu verstehen, wie er schreiben kann: Es ist entschuldbar, sich an der unendlichen Zahl der organischen Lebewesen zu begeistern … , allerdings finde ich, … dass jene Naturforscher, welche

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