Darwin - Das Abenteuer Des Lebens
korallinem Kalk von fünfhundert bis tausend Metern Stärke. Draußen fällt es steil in unermessliche Tiefen ab. Kapitän FitzRoy fand mit einer 7200 Fuß (deutlich über zwei Kilometer) langen Leine in einer Entfernung von nur 2200 Yard (etwa zwei Kilometer) vor der Küste keinen Grund; die Insel bildet also einen hohen Unterwasserberg, dessen Seiten noch steiler sind als der abrupteste Vulkankegel.
Mit diesem Mechanismus lassen sich auch die gewaltigen Korallenbänke wie die vor der Ostküste Australiens erklären. Sie fußen auf versunkenen Gebirgsketten. Die Riff bauenden Korallen haben wahrhaftig wunderbare Denkmale für die unterirdischen Niveauschwankungen errichtet und bewahrt; in jedem Barriereriff sehen wir einen Beweis dafür, dass das Land sich abgesenkt hat, und in jedem Atoll ein Monument für eine Insel, die untergegangen ist.
Ein Kreis schließt sich. Von der weißen Schicht auf den Kapverden über Muscheln im Hochgebirge und die Wellenbrecher um Tahiti bis zum Pieksen der Polypen im Cocos-Atoll - niemand hat die Dynamik der Erdenmutter Gaia bis dahin klarer erkannt als Darwin. Ich bin froh, dass wir diese Inseln besucht haben: Solche Formationen nehmen unter den wunderbaren Dingen dieser Welt zweifellos einen höchsten Rang ein.
Abends auf West Island trifft sich die halbe Gemeinde im Cocos Club. Nach ein paar Tagen kennt man jeden mit Namen. Geoff, den Weltumsegler, der vor sechzehn Jahren hier hängen geblieben ist.
Seine Partnerin Pam, die Dory’s Café betreibt. Shack, der mit der Nasenspitze gerade bis zur Kante der Bartheke reicht. Er besitzt eine angeborene Eigenschaft, die ihm in der ganzen Welt Zuhörer verschafft: seinen Namen. »Shackleton«, sagt er wie einer, der die Wirkung schon kennt, »Ernest Shackleton, nach einem entfernten Onkel benannt.« Neulinge verwickelt er auf diese Weise immer in ein Gespräch, mitten im Indischen Ozean Geschichten über den Antarktisforscher, die man allesamt aus Büchern kennt.
Und da ist natürlich die inoffizielle Fürstin der Insel. Catherine Clunies-Ross hat vor zwanzig Jahren aus Sydney kommend eingeheiratet in den verarmten Clan. Ehemann Johnny ist verreist. Die Frau mit der Energie für zwei macht die Nacht zum Tag, spielt Pool, trinkt Sekt und sprudelt über vor Text. Sie befreit mich von Sir Ernest, der mit jedem Bier kleiner wird. Wie zur Betonung ihrer Sonderposition lässt sie Eiswürfel in ihr Sektglas fallen.
Wie lebt es sich bei einer maximalen Erhebung von fünf Metern über Normalnull mit Treibhauseffekt und drohendem Meeresspiegelanstieg? Nach manchen Klimamodellen könnte das Atoll in fünfzig Jahren vom Globus verschwunden sein. »Wenn ich Sie richtig verstanden habe, wird unser Schutzheiliger uns davor bewahren.« - »Meinen Sie Al Gore?« - »Nein, Darwin, Ihr Held. Wenn das Wasser steigt, dann tun wir, was wir immer getan haben: Wir wachsen mit.«
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Mauritius
Multikultur, die funktioniert · Grüne Gentechnik · Ein sterbender Wald · Das Schicksal des Dodo · Schutz bedrohter Arten
Mauritius gibt es zweimal. Beide liegen auf derselben Insel im Indischen Ozean, östlich von Madagaskar. Das eine ist das Ergebnis einer Werbekampagne und verspricht nichts weniger als »Le paradis«. Im anderen zählen sie gerade die letzten urwüchsigen Bäume. Dazwischen führt ein multireligiöses, mehrsprachiges, gemischtrassiges Volk in einem der dichtest besiedelten Länder der Erde vor, wie Menschen in geregeltem Respekt miteinander auskommen können.
Etwa eineinviertel Millionen Einwohner zählt der kleine Staat, wo mit Rupien bezahlt wird, doch nur der erste Blick an Indien erinnert. Das Bild reicht vom Trägerkleidchen bis zur Burkha, von der Baseballkappe bis zum Turban. Hindus stellen die Hälfte, Christen ein Drittel, Muslime ein Sechstel der Bewohner. Der Rest entfällt vorwiegend auf Buddhisten aus der chinesischen Gemeinde. Zu den Nationalfeiertagen zählen Weihnachten, chinesisches Neujahr, das hinduistische Shivaratri und das islamische Opferfest.
Hindi, Tamil und Chinesisch sind zu hören. Doch die meisten Bewohner verständigen sich in Morisyen, einem französischen Kreolisch. Es geht wie der dunkelhäutige Anteil der Bevölkerung auf afrikanische Arbeitssklaven zurück. Fast alle sprechen die Sprache des Landes, das bereits nach den Napoleonischen Kriegen in den »Besitz« von Großbritannien überging. Obgleich die Insel schon so viele Jahre der englischen Regierung untersteht, ist sie doch durchaus
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