Darwin - Das Abenteuer Des Lebens
die mit tausend Schönheiten gezierten Unterwassergrotten in allbekannten Worten beschreiben, doch einer recht überschwänglichen Sprache frönten. Nein, Mr Darwin, da bin ich nicht Ihrer Meinung. Was die Unterwasserwelt dieses Atolls vor allem an der »Rip« genannten Durchlaufstelle zwischen Home und Direction Island zu bieten hat, versetzt jeden Schnorchler in Erstaunen. Vom Seegras über Seeanemonen bis zum Seestern fehlt nichts. Es gibt Quallen, Schwämme, Moränen, Tintenfische, Schildkröten, Mantas, Riffhaie und Riesenmuscheln. Evolution zum Mitschwimmen, Vielfalt und Farbenreichtum, eitelbunte Papageienfische, rostgraue Krebse, dummblaue Seegurken, weinrot gefleckte Schnecken, stahlschwarze Seeigel - irgendwann gehen die Worte für Farben aus. Dazu die Lagune und am Abend die Feuertöne des Himmels, als hinge die Sonne noch am Tag, und draußen schlägt die Brandung unablässig auf das Riff. Was kann einzigartiger sein als solche Gebilde?
Darwin erblickt hier eher das große Bild als die kleinen Details. So sehen wir denn, wie der weiche, gelatinöse Leib des Polypen durch die Wirkung der Gesetze des Lebens die große mechanische Gewalt der Wellen eines Ozeans besiegt. Über keinen anderen Ort seiner Reise schreibt er ausführlicher, poetischer, triumphaler. Vor seinem geistigen Auge erscheint ein Stück Erdgeschichte, er sieht die vereinten Mühen von Myriaden von Architekten … , die Nacht und Tag, Monat um Monat arbeiten . Darwin hat sich den Lebensbaum zunächst als Korallenstock vorgestellt. Wachstum und Fortschritt auf dem gigantischen Friedhof des Lebens.
Auf Cocos zeigt sich, wie weit er die wissenschaftliche Methode bereits verinnerlicht hat: Zweifel, Fragen, Beobachtungen, Rückschlüsse. An den umschließenden Barriereriffen erkennt er nicht nur, wie Atolle sich schützen, sondern auch, wie sie überhaupt entstehen. Die erste Idee, sagt er später, sei ihm schon in den Anden beim Anblick fossiler Meeresbewohner gekommen. In Tahiti sieht er sich bestärkt, als er sich mit einem Kanu zwischen den Riffen herumschippern lässt. Auf dem Weg nach Neuseeland verfasst er eine erste Skizze. Doch erst die Cocos-Inseln verschaffen ihm Gewissheit.
Die gängige These zu seiner Zeit, dass die oft kreisrunden Atolle mit ihren eingeschlossenen Lagunen auf unterseeischen Kratern gründen, ruft seine Skepsis wach. Wie sollen Atolle entstanden sein, die mehrere Hundert Kilometer Durchmesser haben? Hat man je Krater solcher Ausmaße gesehen? Durch zahlreiche sorgfältige Lotungen erkennt er, dass der präparierte Talg an der Unterseite des Bleis bis auf zehn Faden beständig mit den Abdrücken von lebenden Korallen heraufkam … und dass die äußere Tiefe, in der Korallen ein Riff bauen können, zwischen 20 und 30 Faden beträgt, 35 bis 55 Meter.
Wie kann es sein, fragt er sich, dass die Hebekräfte … unzählige große Gesteinsbänke bis auf 20 bis 30 Faden … unter der Meeresoberfläche und an keiner einzigen Stelle über diese Höhe hinaus hätten anheben können …? Ein Gebirge aus lauter gleich hohen Bergen ist auf der Erde unbekannt. Worauf also … gründen sich diese Barriereriffe?
Die Antwort findet er mit Hilfe von Charles Lyells Gradualismus, der ihn überall auf seiner Reise die Erdkruste aufsteigen oder absinken sehen lässt. Seine Lösung ist einfach genial: Man nehme eine tropische Insel, zum Beispiel Tahiti, und stelle sich vor, dass sie allmählich untergeht. Dort, wo Korallen wachsen können, haben sie ein Riff gebildet,
das die Insel wie ein Ring umgibt - der somit nicht einem Kraterrand, sondern dem Meeresgrund vor der Küste aufsitzt. Während das Barriereriff langsam absinkt, wachsen die Korallen weiterhin energisch aufwärts . Die Polypen bauen ihre Kalkfestungen immer weiter nach oben in die Bereiche, wo sie noch leben können. Ankommende Wellen brechen Brocken heraus, die den Zwischenraum von Riff und Insel auffüllen, wo die flache Lagune entsteht. Zwischen Prison und Direction Island hat sich vor Kurzem durch Anhäufung von Korallenschutt ein weißes Inselchen aus dem grünblauen Wasser erhoben. Die ersten Palmen sind aus ihren Samen geschlüpft. Das perfekte Klischee. Zukunft zum Zugucken.
Ist die ursprüngliche Insel schließlich vollkommen versunken, sodass nur noch der sie umgebende und immer weiter wachsende Riffring aus dem Wasser schaut, so bleibt ein Atoll, und das Land ist fort. Der Ring wächst weiter gegen das steigende Wasser nach oben. So steht das Cocos-Atoll auf
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