Darwin - Das Abenteuer Des Lebens
australische Marine bekommt Wind von der Sache, ist rechtzeitig zur Stelle und versenkt das Schiff des Kaisers. Die überlebende Mannschaft kann sich retten. Ein Teil tritt die viel beschriebene »Karawane der Matrosen« an und erreicht nach abenteuerlichen Monaten auf Schaluppen und Kamelen über Meere und durch Wüsten die Heimat. Die Überreste ihres Schiffes
liegen in wenigen Metern Tiefe und locken Wracktaucher sowie militärhistorisch ausgerichtete »Schlachtenbummler« an.
Als John Sydney Clunies-Ross 1944 stirbt, kommt das Atoll wegen seiner zentralen Lage im Indischen Ozean unter militärische Führung. Der Flughafen entsteht, siebentausend Soldaten werden stationiert, die Bevölkerung wächst auf zehntausend Menschen an. Der Beschuss durch ein japanisches U-Boot bleibt ohne Folgen. Nach dem Krieg kehrt die Witwe mit Sohn John Cecil zurück, um ihr Land wieder in Besitz zu nehmen. Doch ihr spätkoloniales Glück findet bald ein Ende. 1955 geht die Inselgruppe in australische Verwaltung über. 1978 hat die Regierung in Canberra genug von der feudalen Herrschaft des Clans und bewegt Clunies-Ross unter Androhung der Zwangsenteignung zum Verkauf der Inseln. Nur ihr Anwesen dürfen sie behalten.
Da John, der letzte Herrscher, sein Regiment jedoch ungeniert fortsetzt, zwingt die Regierung ihn 1983, die Insel zu verlassen. Als sie überdies seiner Schifffahrtsgesellschaft alle Aufträge entzieht, geht das Unternehmen der Familie pleite und das Anwesen in staatlichen Besitz über. Doch statt es als Kulturerbe zu erhalten, verkauft die Regierung die Immobilie 2002 wie irgendeinen Resthof an den Schrotthändler Lloyd Leist aus Perth, der mit Taxilizenzen und Autokennzeichen ein Vermögen gemacht hat.
Als er mir seinen »Palast« zeigt, frage ich mich, ob Regierungen beim Veräußern ihres Tafelsilbers nicht auch ein wenig Verantwortung tragen. Als einziger Weißer lebt der unverhohlene Rassist nun (mit Unterbrechungen) neben den strenggläubigen Malaien, erklärt jedem, wie sehr er Hitler bewundert und seine Nachbarn hasst. Typ stolzer Prolet, der im Lotto gewonnen hat - kurze Hose, Halbschuhe mit Socken, nackter Bierbauch, Schnauzbart bis unter die Kinnlade, Dauerhusten von der Kette Selbstgedrehter und Millionen auf dem Konto.
»Alles Idioten«, sagt der Fünfundsechzigjährige in seinem historischen Herrenhaus, das er mit Antiquitäten vollgestellt hat. In seinem Besitz befindet sich auch das geschnitzte Annexionsdokument der Queen. Besser bei ihm als bei den anderen, findet er. »Die können alle nichts außer beten.« Das Schlimmste seien die Korangesänge. »Glauben Sie mir, das macht einen verrückt.« Jeden Morgen hofft er auf Wind aus dem Süden. Dann hört er sie nicht.
Die Muslime begegnen ihm mit freundlicher Nichtachtung. Sie leben zurückgezogen in den hundert baugleichen Bungalows ihrer streng geordneten Siedlung. Die Häuser der Malaien stehen entlang der Küste der Lagune. Das Ganze bot ein recht trostloses Bild, denn es waren keine Gärten vorhanden, die auf Pflege und Kultivierung hindeuteten. Kaum vorstellbar, wie hier in den Jahren nach 1950 mehr als dreitausend von ihnen Platz gehabt haben sollen. Der Großteil der damaligen Bevölkerung und ihre Familien leben seit zwei Generationen auf Borneo, wo sie Arbeit in der Holzindustrie gefunden haben. Dort hat auch Ismah Macrae seine Frau kennen gelernt, ein Angestellter der Naturparkbehörde, der mich auf Darwins Spuren durch die Korallenwelt führen will.
Die beiden leben gleichsam an der Schnittkante der Kulturen. Sie wohnen mit Sohn Ismah unter den europäischen Australiern auf West Island, wo der Vater sein Büro hat, halten aber an ihren muslimischen Gebräuchen fest. Die junge Mutter verkörpert förmlich den Spagat, wenn sie mit ihrer strengen Kopfbedeckung und MP3-Player auf der Fähre sitzt, um den Jungen drüben zur Schule zu bringen. Aus der Gegenrichtung kommen in ihren leuchtend gelben und blauen Schuluniformen die malaiischen Jugendlichen, die hier zur Oberschule gehen. In den Pausen spielen die Jungen zusammen, die Mädchen in ihren schwarzen Kopftüchern sitzen separat.
»Sie kennen ihre Rechte als Australierinnen«, sagt Emma, die an der Bar des Cocos Clubs aushilft und deren Eltern an der Highschool unterrichten, »aber sie leben nach den Regeln ihrer Gemeinschaft.« Ganz wenige erst hätten den Sprung aufs Festland gewagt, um dort zu studieren und sich eine Arbeit zu suchen. In die umgekehrte Richtung habe sich indes noch
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