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Darwin - Das Abenteuer Des Lebens

Titel: Darwin - Das Abenteuer Des Lebens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juergen Neffe
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Homo-Vertreter wird nach seinem Fundort am Turkanasee in Kenia, der früher Rudolfsee hieß, HOMO RUDOLFENSIS genannt. Der Frankfurter Paläanthropologe Friedemann Schrenk hat 1991 in Malawi einen zweieinhalb Millionen Jahre alten Unterkiefer dieser Art gefunden, bislang das älteste Stück. Verglichen mit Mrs Ples muss er fast schon wie ein Mensch ausgesehen haben. Während sich die hominiden Nachbarn buchstäblich die Zähne ausbeißen, gebraucht HOMO RUDOLFENSIS Steinwerkzeuge, um Nahrung aufzuspalten und zu zerkleinern. Sein Gebiss ist ähnlich klein wie unser heutiges.
    Das Aufschließen von Nahrung mittels Steinen, Urtyp aller Mühlentechnik, markiert einen Wendepunkt: Offenbar gibt der Urmensch sein Wissen auch weiter, ein Ausgangsmoment der kulturellen Evolution. »Seit ungefähr zweieinhalb Millionen Jahren«, so Friedemann Schrenk, »finden sich Steinwerkzeuge an möglichen Siedlungsstätten früher Urmenschen, und zwar umso mehr, je näher wir der Jetztzeit kommen.« Er hält den Durchbruch für ähnlich bedeutsam wie die Erfindung
des Computers. Durch seine technische Überlegenheit kann der frühe Homo auch dort überleben, wo seine kieferstarken Verwandten keine Chance mehr haben.
    Als mit HOMO HABILIS, dem »geschickten Menschen«, vor zwei Millionen Jahren ein weiterer Urmensch auf der Bildfläche erscheint, geht es mit AUSTRALOPITHECUS zu Ende. Mrs Ples hat vor 2,1 Millionen Jahren gelebt. Vor etwa einer Million Jahren stirbt auch der Ast der Gattung PARANTHROPUS am Lebensbaum ab. Mit dem Auftauchen von HOMO ERECTUS, einem der ersten Frühmenschen, vor gut anderthalb Millionen Jahren erlebt die Gattung ihren Prometheus-Moment: Sie bändigt das Feuer.
    Es mag kein Zufall sein, dass HOMO ERECTUS als erste Urmenschenspezies Afrika verlässt. Mit dem Feuer verschafft sie sich eine Wärmequelle, um neue Klimazonen zu erobern, mehr Sicherheit vor Raubtieren und die Möglichkeit, Nahrungsmittel durch Garen aufzubereiten. Damit dringt sie bis nach Europa und ins ferne Asien vor, wo sie als Nachfolger von Java- und Pekingmensch noch vor fünfzigtausend Jahren vorgekommen ist.
    Schon vor einer Million Jahren hat HOMO ERECTUS zu drei Vierteln das Gehirnvolumen des modernen Menschen erreicht. Damit hat spätestens dieser Urmensch den nächsten Entwicklungsschritt eingeleitet: Da das weibliche Becken zu klein ist, müssen Mütter vollkommen hilflose Babys gebären. Erst mit zwei Jahren erreicht ein Menschenkind den körperlichen Reifegrad eines neugeborenen Schimpansenbabys. Evolutionär war es offenbar günstiger, den Nachwuchs früher zur Welt zu bringen, als den weiblichen Körper an größere Babys anzupassen. Die frühen Geburten erzwingen einen neuen Lebensstil, festere soziale Gefüge, um die Kleinen durchzubringen, und ein Lernumfeld, in dem sie durch Zeigen und Nachahmen die kulturellen Fähigkeiten der Älteren übernehmen können. Seit mehr als einer Million Jahren schreiten biologische und kulturelle Evolution gemeinsam voran.
    Ob wir direkt von HOMO ERECTUS abstammen, ist unsicher. Trotz ihrer grandiosen Erfolge fehlen der Paläontologie nach wie vor die meisten Puzzlestücke für ihr großes Bild. Forscher schätzen den Anteil der »missing links« auf über neunundneunzig Prozent. Doch falls ein archaischer Vorgänger des HOMO SAPIENS aus HOMO ERECTUS
hervorgegangen ist, dann wohl sicher aus seiner afrikanischen Linie, nicht etwa aus der asiatischen. Unsere ältesten Spuren reichen fast zweihunderttausend Jahre zurück auf den Schwarzen Kontinent.
    Schon bald beginnt unsere Spezies ihren Siegeszug um den Globus. Dabei kommt ihr vermutlich seit hunderttausend Jahren ein mentales Werkzeug zu Hilfe, mit dem kulturelle Evolution im engeren Sinne einsetzt: die Sprache. Sie ermöglicht nicht nur den Ausdruck frei kombinierbarer Silben und abstrakter Sachverhalte, womit die mündliche Tradition beginnt. Als erstes Tier entwickelt der Mensch konkrete Vorstellungen von Vergangenheit und Zukunft, die langfristig planende, abgestimmte Verhaltensweisen erlauben und an die nächsten Generationen weitergegeben werden.
    Dazu müssen zwei Systeme zusammenarbeiten, das Gehirn und der Sprechapparat. Genetische Analysen lassen vermuten, dass die biologische Evolution HOMO bereits vor etwa siebenhunderttausend Jahren das erste wichtige Mittel zum Umgang mit Sprache verschafft hat. Ein seltenes Erbleiden, das zu erheblichen Sprechstörungen führt, hat britische Forscher 2001 auf die Spur eines Gens namens FOXP2

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