Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Darwin - Das Abenteuer Des Lebens

Titel: Darwin - Das Abenteuer Des Lebens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juergen Neffe
Vom Netzwerk:
Glastür auf roten Samt. Dahinter steht der Name des Ortes, wo er vor einem halben Jahrhundert aus dem Fels gesprengt worden ist: Sterkfontein.
     
    Der Direktor des Museums hat es sich nicht nehmen lassen, mich persönlich zu den Höhlen unweit von Pretoria zu fahren. Francis Thackeray, Autor mehrerer Artikel über Darwin, stammt selber aus einer bekannten britischen Forscherfamilie. Sein Urgroßvater, ein berühmter Fossiliensammler, hat die Eliteschule von Eton geleitet. Sein Vater hat als Astronom Anfang der Fünfzigerjahre erstmals das Alter des Universums in etwa richtig berechnet. Nun hat der Sohn seine eigene große Entdeckung gemacht.
    Sterkfontein klingt in den Ohren von Paläoanthropologen wie Hollywood für Freunde der Filmgeschichte. Nirgendwo auf der Welt sind mehr Hominidenreste gefunden worden. Die UNESCO hat das Areal mit etwa einem Dutzend Dolomithöhlen 1999 als »Wiege der Menschheit« in die Liste des Weltkulturerbes aufgenommen. Wer schon ein paar Tropfsteinhöhlen in seinem Leben gesehen hat, wird hier nicht vor Ehrfurcht verstummen. Wie viele bedeutende Orte lebt auch diese Unterwelt vor allem von den Geschichten, die wir mit ihnen verbinden. An manchen Stellen fällt von oben Tageslicht durch Spalten in die feuchtkühle Finsternis. Durch solch eine Spalte könnte Mrs Ples in den Tod gestürzt sein. Nachrutschender Dreck hat ihren
Kopf bedeckt, der unter Einwirkung chemischer Verbindungen versteinerte.
    »Wir haben uns immer gefragt: Wo ist der Rest von Mrs Ples?«, sagt Thackeray. »Womöglich haben Raubtiere den Körper zerfetzt und Hyänen die einzelnen Teile weggeschleppt.« Nur ein Faktum steht lange außer Frage: Dass es sich bei dem Schädel um die Überreste einer jungen Frau handelt. Sein Entdecker Broom hat den Knochenverbund mit Hammer und feinem Meißel freigelegt. Allein die Tasche eines Schneidezahns, die bei weiblichen Primaten viel kleiner sind als bei männlichen, hat ihn auf ein Mädchen tippen lassen.
    Francis Thackeray hat an dieser Deutung wegen der Form von Wangen und Brauenwulst schon länger seine Zweifel gehabt. Im Jahr 2001 hat er es genau wissen wollen und Mrs Ples aus ihrer Schatzkammer entführt. In einer nahe gelegenen Klinik lässt er ihren Kopf in einem Computertomografen durchleuchten. Einige verborgene Details, wie etwa die Form der Wurzeltaschen der Weisheitszähne, sprechen eindeutig für einen männlichen Schädel. Das Ergebnis kommt einer Sensation gleich: Die Prinzessin ist wohl eher ein Prinz. »Wahrscheinlich der erste CT-Scanner, der eine Geschlechtsumwandlung vorgenommen hat«, scherzt der Forscher. »Mrs Ples ist ein Mister. Wir haben ihn Master Ples getauft.«
    »Ein wenig traurig macht es mich schon«, sagt Doktorandin Potze, »dass sie jetzt keine Frau mehr ist.« Erst kürzlich hat sie selbst mit einer raffinierten Methode das Gehirn ihres Schützlings in Augenschein nehmen können: In der Sammlung von Robert Broom lagert ein Stein, den er aus dem Innenschädel geschlagen hat. Als er »STS 5 (i)« heraustrennt, löst der Entdecker auch ein Stück von der äußersten Innenschicht des Schädelknochens. Diese weniger als ein Millimeter dünne Schicht hat Potze in Dutzenden Waschgängen mit verdünnter Essigsäure nach und nach freigelegt - bis sie schließlich ein kleines Stück von der äußeren Form des Gehirns erkennen lässt. Die Konturen verraten ihr eindeutig, dass es sich bei dem Schädel um den eines Heranwachsenden handelt. Wenn Mrs Ples ein Mann war, dann ein jugendlicher.
    Der Geschlechtswandel hat weitere Spekulationen mit möglicherweise spektakulären Konsequenzen für den einsamen Schädel ausgelöst. Seit fünfzig Jahren liegt die vermeintliche Mrs Ples - Fundstück
STS 5 - Seit’ an Seit’ mit dem kurz nach ihr entdeckten Skelett eines jungen männlichen AUSTRALOPITHECUS AFRICANUS. Doch Nummer STS 14 fehlt der Kopf. Niemand hat wegen der unterschiedlichen Geschlechter je eine Verbindung zwischen den beiden hergestellt. Sie lagen friedlich vereint wie ein Paar, jeder auf seinem roten Samt. Erst das Tomogramm hat Thackeray auf die Idee gebracht. Er sieht sich noch einmal genau die beiden Fundstellen in Sterkfontein an. Sie liegen tatsächlich so nahe beieinander, dass der Kopf des verunglückten Jugendlichen, von Raubtieren abgetrennt, ein Stück weit vom Körper entfernt seine letzte Ruhe gefunden haben könnte. Als der Forscher dann Schädel und Knochen vergleicht, hat er kaum noch Zweifel: Diese Knochen gehören zu Master

Weitere Kostenlose Bücher