Darwin - Das Abenteuer Des Lebens
ökologische Bewusstsein auf Mauritius ist unterentwickelt. Das Einzige, was den Wald noch retten kann, ist ökonomischer Nutzen.« So ließe sich beispielsweise daran denken, Menschen den freigeschlagenen Wald zum schonenden Kaffeeanbau unter den einheimischen Bäumen zu überlassen.
»Viel Zeit bleibt uns nicht mehr. Wir sprechen über wenige Jahre.« Es gäbe eine einfachere Lösung: Eine freiwillige einprozentige Abgabe auf die Hotelkosten reichte aus, das Schlimmste zu verhindern. Kaum ein Tourist würde heute noch gegen sein Umweltgewissen »nein« ankreuzen. Doch die Hotelbetreiber wollen ihre Gäste nicht mit den Schattenseiten des Urlaubsparadieses belasten.
Claudia Baiter legt den Zeigefinger an die Lippen und deutet mit der anderen Hand nach oben. COLUMBA MAYERI - weißer Kopf und Bauch, schwarze Flügel, rosa Schwanz - landet wenige Meter vor uns auf dem Waldboden. Ein Prachtexemplar von einer Rosa Taube. Ohne den Menschen gäbe es hier Tausende, ohne menschliche Hilfe keine mehr. Die Dialektik von kultureller und biologischer Evolution. Auf einem Ast sitzt ein grüner Papagei und beobachtet die Szene. »PSITTACULA EQUES«, flüstert Claudia, »auch eine gerettete Art.« Ich schreibe den Namen in mein Notizbuch. Oben auf der Seite steht das Datum - 12. Februar 2008, Darwins 199. Geburtstag.
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Südafrika
Evolution der Hominiden · Werkzeug und Feuer · Das Aufkommen der Sprache · Die Wiege der Menschheit · »Die Abstammung des Menschen« Im Land der Guten Hoffnung · Nuruddin Farah · Kapstadt · Ein Ultra-Kreationist
Als ich sie endlich in Händen halte, die Prinzessin von Pretoria, blickt sie stumm aus den Schatten ihrer Augenhöhlen an mir vorbei. Ihren Kopf habe ich mir etwas größer vorgestellt, aber Brauen und Wangenknochen entsprechen den Erwartungen: vorstehend, schwer und steinkalt. Sie ist es tatsächlich, die weltberühmte »Mrs Ples«, Titelgesicht am Illustriertenstand, tausendfach gefeiert und gefilmt, so wie sie leibte und lebte vor mehr als zwei Millionen Jahren. Der Name der Dame geht auf PLESIANTHROPUS TRANSVAALENSIS zurück, den »Fastmenschen von Transvaal«. Später wird sie der Spezies AUSTRALOPITHECUS AFRICANUS zugerechnet - aufrecht gehenden Vormenschen. Neben »Lucy«, deren Skelett 1974 in Äthiopien ausgegraben wurde, gehört Mrs Ples zu den bedeutendsten Frauen der frühen Menschheitsgeschichte.
Ihre Heimat hat sie hinter Glas, im Sicherheitsraum für fossile Knochen und Zähne des Transvaal-Museums in Pretoria (heute »Northern Flagship Institute«). Eine Schatzkammer der Paläoanthropologie, der Wissenschaft von den Vorfahren der Menschen. Mehr als zweihundertfünfzig Fundstücke lagern in den Standvitrinen. Sie berichten von den letzten Etappen der biologischen Evolution, den Schritten vom Affenmenschen zum HOMO SAPIENS. Mrs Ples und ihre Gattung gehörten zu den ersten unter unseren Ahnen, die sich aufgerichtet und ihre Hände befreit haben. Ich lege meine Hand auf ihren kleinen Kopf. Ein Ziel ist erreicht. Afrika, Wiege der Menschheit.
Stephany Potze kennt jeden Quadratmillimeter des Schädels bis ins Detail. Die Doktorandin versteht sich als Detektivin im Rätsel der Menschwerdung. »Drehen Sie Mrs Ples einmal herum. Lektion Nummer eins: aufrechter Gang. Sehen Sie das Foramen magnum, wo der Kopf auf der Wirbelsäule aufsitzt?« Die Siebenundzwanzigjährige zeigt mit dem kleinen Finger auf einen fast kreisrunden Ausschnitt im Schädelboden. »Das Hinterhauptsloch ist beim Zweibeiner gegenüber allen Vierbeinern versetzt. Stellen Sie sich vor, wie der Kopf beim Hund sitzt, beim Schimpansen und beim Menschen, dann erkennen Sie den Unterschied.«
Es ist ein Anatom, ihr Landsmann Raymond Arthur Dart, der 1924 erstmals eine Brücke zwischen Affen und Menschen schlägt. Mit dem »Kind von Taung«, dem Kinderschädel eines Artgenossen von Mrs Ples, beschreibt er die erste bekannte Spezies der »neuen Affenmenschen«. Seine Kollegen bleiben jedoch skeptisch. Was er gefunden habe, sei in Wahrheit ein junger Affe.
Ein Hobbyforscher und Fossilienjäger, der schottische Arzt Robert Broom, glaubt an Dart. Er besucht den Entdecker in Johannesburg und fällt in dessen Labor »zur Verehrung unseres Vorfahren« auf die Knie. Dann macht er sich selbst auf die Suche. In der zweiten Hälfte der Dreißigerjahre stößt er in den Trümmern aus einem Steinbruch auf erste Schädelstücke, ein paar Zähne und Teile eines Oberkiefers. Der Krieg zwingt ihn zu einer langen
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