Darwin - Das Abenteuer Des Lebens
vergeben worden, den dortigen Wald zu fällen.
»Wenn dieses Projekt durchgeführt wird«, heißt es in dem Brief, »ist zu befürchten, nein sicher, dass alle Schildkröten, die auf diesem begrenzten Areal bleiben, zerstört werden.« Es sei daher dringend angeraten, zumindest einen Teil der Echsen nach Mauritius zu bringen und dort gezielt nachzuzüchten. »Rettung und Schutz dieser Tiere wird der Kolonialregierung jedoch weniger in Anbetracht ihrer Nutzbarkeit empfohlen«, beginnt der letzte Absatz des Schreibens, »als mit Blick auf das große wissenschaftliche Interesse, das mit ihnen verbunden ist.« Das klingt ziemlich modern. Deshalb sehen Historiker in dem Schreiben auch so etwas wie den Beginn des Artenschutzes, der sogar schon die Nachzucht in Gefangenschaft zur Rettung bedrohter Spezies empfiehlt. Der Gouverneur kommt der Bitte nach, die Aldabra-Schildkröten bleiben erhalten.
Heute stellt ihre Zukunft einer jener stillen Helden sicher, die ihre Kraft und ihr Geld in den Erhalt bedrohter Arten stecken. Dem Australier Owen Lee Griffiths ist dabei so etwas wie die Quadratur des ökologisch-ökonomischen Kreises gelungen.
Zu den größten Plagen, vor allem auch für gefährdete Pflanzen, gehören in Mauritius die Makaken. Die eingeschleppten Äffchen verbeißen junge Gewächse und richten großen Schaden auch an der kultivierten Vegetation an. Statt die Primaten sinnlos zu töten, hat Biologe Griffiths sie unter dem Beifall von Regierung, Landwirten und Naturschützern eingefangen und als Versuchstiere in alle Welt verkauft. Besonders Aidsforscher bezahlen stolze Preise. Der Australier, mit einer Mauritierin verheiratet, hat damit ein Vermögen gemacht. Gleichzeitig hat er die Zahl der Tiere so weit reduziert, dass die Schäden sich mittlerweile in Grenzen halten. Inzwischen züchtet er sie in Gefangenschaft.
Was strengen Tierschützern wie ein Sakrileg erscheinen muss, ist dem Artenschutz zugute gekommen. Zusammen mit anderen haben Griffiths und seine Frau den Wildpark »La Vanille« im Süden der Insel aufgebaut. Im Zentrum steht die Nachzucht der Aldabra-Schildkröten. Ein Bild wie in der Forschungsstation auf Galápagos: etwa tausend Tiere aller Altersstufen. Da sie auf Mauritius im Freiland keine Überlebenschancen hätten, wildert der Biologe sie auf der benachbarten Insel Rodrigues aus. Dort waren sie schon zu Darwins Zeiten ausgestorben. Jetzt gibt es wieder dreihundert gesunde Exemplare. »Ich lebe jeden Tag mit Darwin«, erklärt Griffiths, der seinen Gästen eine Abschrift des Briefes an den Gouverneur präsentiert. »Er war vernarrt in Schildkröten.«
Mauritius steht aber vor allem für die einzigartige Rettung einer anderen Spezies. Der walisische Biologe Carl Jones kann sich auf die Fahne schreiben, fast im Alleingang den Mauritiusfalken vor dem Aussterben bewahrt zu haben. Ende der Siebzigerjahre des 20. Jahrhunderts ist die Population auf vier Tiere zusammengeschrumpft. Der Untergang der Art steht unmittelbar bevor. Sie legen Eier, aber das Insektengift DDT bewirkt, dass die Eihüllen zu dünn werden und die Jungen sterben. Jones gelingt es, die Tiere in Gefangenschaft mit DDT-freier Nahrung zu vermehren und auszuwildern. Damit es ihnen im Freiland nicht so ergeht wie ihren Vorfahren, entwickelt er ein Verfahren, auch dort den Jungen im Nest giftfreies Futter zuzufüttern. Heute sieht man sie wieder kreisen. Eine stabile, wenn auch weiterhin gefährdete Population von mehr als siebenhundert Exemplaren des FALCO PUNCTATUS.
Ähnlich spektakulär, wenn auch weniger bekannt, verläuft die Rettung der einheimischen Rosa Taube. 1990 existieren noch neun Exemplare, heute sind es wieder mehr als dreihundertfünfzig. Claudia Baiter kennt einen Platz im Wald, wo sich die scheuen Vögel gelegentlich sehen lassen. Wir schlagen uns durch das Dickicht im Nationalpark, bis wir ein lichteres Waldstück erreichen, und warten. Eine ungewöhnliche Beschäftigung für Botaniker, die lieber mit wachen Augen umherstreifen, während ihre Lieblinge still stehen.
»Es reicht nicht, die Vögel aufzuziehen«, sagt Baiter, »sie brauchen auch Lebensraum.« Gemeinsam mit freiwilligen Helfern hat sie etwa ein Prozent der Waldfläche freischlagen und von den Guaven befreien können. Jeder einzelne einheimische Restbaum wird markiert, gehegt und gepflegt. Darin besteht die einzige Chance, den letzten Rest vom letzten Urwald und damit Dutzende von Arten zu retten. Doch niemand will Geld dafür ausgeben. »Das
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