Darwin - Das Abenteuer Des Lebens
noch genau an die Euphorie im April 1994, als er hoffnungsfroh in einer der langen Schlangen vor den Wahllokalen stand. Sein Einsatz für Mandelas ANC und gegen die Apartheid hat ihm einen Eintrag beim Staatsschutz eingebracht. Bis jetzt hat er alle Probleme großmütig den Geburtswehen einer neuen Nation zugestanden, auch den Überfall, als ihn eine Bande schwarzer Jugendlicher aus dem Auto zerrte, zusammenschlug und ausraubte.
Doch als Ende 2007 Jacob Zuma, nach wie vor angeklagt wegen Vergewaltigung und Korruption, zum Präsidenten des ANC und damit zum potenziellen Nachfolger des jetzigen Präsidenten Mbeki gewählt wurde, sagte der Forscher zu seiner Frau: »Vielleicht müssen wir bald von hier weg.«
Eigentlich ist in Südafrika nach 1994 ein Wunder passiert. Die früher Unterdrückten übernehmen die Macht, lassen die Eigentumsverhältnisse aber durchweg unangetastet, leiten eine lange Phase wirtschaftlichen Aufschwungs ein und schaffen, was ihnen die vorher Herrschenden niemals zugetraut hätten: Sie regieren das schwer führbare Land demokratisch, ohne die faschistischen Methoden ihrer Vorgänger. Doch während sie (auch dank der überwältigenden Mehrheit des ANC) politisch auftrumpfen, profitieren ihre früheren Unterdrücker als wirtschaftliche Gewinner vom Ende der Apartheid. Nie ist in Südafrika so viel Geld verdient worden wie nach 1994, noch nie ging es den Vermögenden so gut. Ihre Immobilien stehen hoch im Kurs, Hersteller von Luxusautos machen glänzende Geschäfte. Einige Schwarze haben sich ihnen hinzugesellt. Doch wie sie nun ihrerseits auf ihre ärmeren Brüder und Schwestern herabschauen, hat sich die Grenze der Apartheid nur verschoben.
Vor den Augen der Welt und besonders von den afrikanischen Nachbarn mit Spannung verfolgt, findet am Kap der Guten Hoffnung ein beispielloses Menschheitsexperiment statt. Zweiundvierzig Millionen Andersfarbige stehen fünfeinhalb Millionen Weißen gegenüber. Deren Vorfahren aus Europa haben sich teilweise im 17. Jahrhundert hier angesiedelt. Für sie ist das Land ihre Heimat wie für das Ehepaar Clinton die USA. Sie haben es, aus ihrer Sicht, aufgebaut und zur Blüte gebracht. Weingüter, Industrie und Rohstoffförderung, Städte, Schulen und Universitäten wie in Europa. Dass sie es nur durch die Arbeitskraft von Millionen Lohnsklaven geschafft haben, sorgt in ihrer Geschichtsschreibung allenfalls für eine Fußnote.
»Europa schuldet uns einiges«, sagt Nuruddin Farah. Der somalische Schriftsteller, in seiner Heimat wegen Kritik an der diktatorischen Herrschaft zum Tode verurteilt, lebt seit 1999 in Kapstadt im Exil. Wir treffen uns in einer Shopping Mall, weil es dort am sichersten ist, und trinken Kaffee aus Bechern in einem der zugigen Durchgänge. Ein stiller, dezenter Nordafrikaner, Jahrgang 1945, eine der
wichtigsten literarischen Stimmen Afrikas und für viele der nächste Kandidat des Kontinents für den Literaturnobelpreis. In seinem Werk setzt er sich, gekennzeichnet durch tiefe Solidarität, immer wieder mit den Frauen in den männlich dominierten afrikanischen Gesellschaften auseinander, öffentlich zudem mit den Folgen der Kolonialisierung seines Kontinents.
»Wenn man bedenkt, wie viele Zigmillionen aus Europa ausgewandert sind, dann müsste es eigentlich im Gegenzug ebenso viele aufnehmen.« - »Aus europäischer Sicht nicht ganz unproblematisch.« - »Sie werden die Afrikaner nicht daran hindern, nach Europa zu kommen. Das ist wie bei einer reifen Frucht.« Also sei es sinnvoll, das gegenseitige Feindbild abzubauen, Immigration zu steuern, statt sie am Ende ungeregelt und mit vielen Todesopfern doch nicht verhindern zu können. Außerdem strahle von den Auswanderern ein Stück der europäischen Kultur zurück auf die Gebliebenen. In seiner Heimat Somalia sei so die Genitalbeschneidung bei Mädchen beendet worden. »Etwas den Druck mindern, würde Afrika enorm helfen«, sagt der Zweiundsechzigjährige und presst sich seinen Unterarm, »wie bei einer Wunde. Außerdem bekommen wir auf diese Weise Verbindung zum Rest der Welt.«
In der Versuchsanordnung des Experiments Südafrika ist die frühere Trennung gleichzeitig aufgehoben und geblieben. Weiß und Reich lebt nach wie vor überwiegend abgeschottet unter sich in Villensiedlungen und Luxusapartmentkomplexen, der Rest zum größten Teil in bescheidenen Townships. Um für die Weißen Platz zu machen und auch eine Art Sicherheitsstreifen zu schaffen, sind Farbige und Schwarze an die
Weitere Kostenlose Bücher