Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Darwin - Das Abenteuer Des Lebens

Titel: Darwin - Das Abenteuer Des Lebens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juergen Neffe
Vom Netzwerk:
Ränder der Städte zwangsumgesiedelt worden. Dort waren Verbrechen und Gewalt auch vor 1994 an der Tagesordnung, nur hat es die herrschende Klasse in ihrem Polizeistaat nicht weiter gekümmert. Das hat sich geändert und droht den Regenbogentraum zu zerreißen.
    Ohne dass eine künstliche Schranke sie trennt, dürfen Millionen chancenloser Jugendlicher nun direkt zusehen, wie ihre wohlhabenden Altersgenossen sich weiterhin an den Schätzen des gemeinsamen Landes bereichern. Da »ihre« Regierung kaum Abhilfe schafft und sich die Klassentrennung auch nicht so einfach friedlich aufheben lässt wie die Rassentrennung, holen sie sich ihren Anteil immer häufiger
mit Gewalt. Wohl in keinem Land der Welt ist die Kriminalitätsrate höher und die Aufklärungsquote geringer als in Südafrika. Hier schließt sich wieder ein Kreis: Brasilien kommt mir in den Sinn.
    Da die Täter (bei mehr als drei Viertel Farbigen und Schwarzen in der Bevölkerung kein Wunder) überwiegend afrikanischen Ursprungs sind, spielt das ganze Land inzwischen »Wer hat Angst vorm schwarzen Mann?«. Als ich den Tafelberg besteigen will, rät mir die - schwarze?, farbige? - Rezeptionistin im Hotel dringend ab. Gerade in jüngster Zeit habe es immer wieder Überfälle durch Banden gegeben, die sich zwischen den Felsen versteckten. Nur die Seilbahn sei sicher. Erst als ich mich vergewissert habe, dass der Fußweg von bewaffneten Parkwächtern kontrolliert wird, wage ich mich hinauf - und werde mit einem Ausblick belohnt, wie ich ihn vorher nur in Rio hatte.
    In Pretoria hatte mich Direktor Thackeray in der Gästewohnung des Museums hinter hohen Eisengittern untergebracht. Nach Einbruch der Dunkelheit das Gelände zu verlassen, warnt er, sei lebensgefährlich - im Zentrum der Hauptstadt seines Landes. Ich will nicht so denken und breche zu einem Spaziergang auf. Doch als ich am Tor Gruppen schwarzer Jugendlicher vorbeiziehen sehe, laut, lebendig und selbstbewusst, kneife ich.
     
    »Ich kann dich verstehen«, sagt Tabo, ein schwarzer Student in Kapstadt. Er und seine weißen Freunde haben mich zum Abendessen in ihre Wohngemeinschaft eingeladen, ein Häuschen im Schatten des Tafelbergs. »Jetzt geht es den Weißen so wie uns schon immer.« - »Dieses Land trägt seinen Bürgerkrieg über Verbrechen aus«, wirft Jason ein, »wir haben keine Kontrolle mehr über die Innenstädte.« - »Darauf haben die Weißen doch nur gewartet, dass sie das jetzt den Schwarzen in die Schuhe schieben können.« - »Das ist unser größtes Problem: Wir schieben immer alles auf die anderen.« - »Das ist mir ziemlich egal!«, ruft Leo dazwischen. »Ich habe schlicht und einfach permanent Angst. Mehrmals am Tag fühle ich mein Leben bedroht.« - »Ist das jetzt nicht etwas übertrieben?«, fragt Tabo. - »Übertrieben? Drei Leute aus meinem Bekanntenkreis sind in den letzten sechs Monaten erschossen worden. Das ist die Realität.« - »Und was hast du vor?« - »Ich will weg. Nach England.« - »Wer gehen will, soll gehen«, sagt Allon, selbst ein Weißer, geboren in
den USA, der lange in Jamaika gelebt hat, seit fünfundzwanzig Jahren hier wohnt und sein Haus mit Studenten teilt. »Es werden bittere Zeiten kommen, aber nur so kann Südafrika südafrikanisch werden.«
    Genau das fürchten viele Weiße. Wo ich hinkomme, diskutieren sie die eine Frage: Bleiben oder gehen? Neben der Gewalt und der Angst vor Zuma als nächstem Präsidenten beherrscht ein Thema die Gespräche: »Power cut«. Kurz vor meinem Eintreffen hat es mehrere längere Stromausfälle gegeben. Die Kapazitäten der Kraftwerke sind erschöpft. Gold- und Diamantenminen mussten teilweise ihre Arbeit einstellen. In den Zeitungen ist von 27 000 verlorenen Arbeitsplätzen die Rede. Vor allem die rechten Blätter wettern gegen die Regierung, die seit 1994 nur von der Substanz lebe und es trotz Warnungen nicht geschafft habe, die verfügbare Strommenge zu erhöhen. Frühestens 2013 könnte die Lücke geschlossen werden - womöglich zu spät, um den Exodus zu verhindern. Die Regierung hat schnell für Abhilfe gesorgt und über den »Southern African Power Pool« die fehlenden Megawatt von Nachbarn hinzugekauft. Das Land ist noch immer bei Weitem das reichste in Schwarzafrika.
    Die verheerende psychologische Wirkung der Stromausfälle kann indes nur erahnen, wer sich Vergleichbares in Westeuropa vorstellt. Wenn aus heiterem Himmel für ein paar Stunden die Lichter ausgehen, geht mit dem Strom plötzlich jedes Gefühl von

Weitere Kostenlose Bücher