Darwin - Das Abenteuer Des Lebens
Nachdenken, Vernunft oder Einbildungskraft, oder bloß den Gebrauch der Sinne und der Hände erfordern.
Was heute in aufgeklärten Kreisen wie krudester Biologismus klingt, beherrscht nach wie vor in vielen Gesellschaften das Geschlechterverhältnis - pseudobiologisch begründet und kulturell durchgesetzt. Dabei weiß inzwischen jedes Kind, dass Mädchen nicht dümmer sind als Jungs.
Um seine Idee der natürlichen Auslese zu retten, unterwirft Darwin Geist, Moral und sogar Religiosität der biologischen Evolution. Selbst die Konfession setzt sich danach als Überlebensvorteil im Erbgut fest. Und natürlich die bedeutendste aller menschlichen Fähigkeiten: Ein großer Schritt in der Entwicklung des Intellekts wird geschehen sein, sobald die halb als Kunst, halb als Instinkt zu betrachtende Sprache in Gebrauch kam; denn der beständige Gebrauch der Sprache wird auf das Gehirn zurückgewirkt und eine vererbte Wirkung hervorgebracht haben.
Dass unsere Sprachfähigkeit angeboren ist, bezweifelt niemand. Ob wir mit einer im Gehirn verankerten Grundgrammatik auf die Welt kommen, ob wir etwa die Regeln des Satzbaus in die Wiege gelegt bekommen, wird unter Hirn- und Sprachforschern heftig diskutiert. Die Sprache selbst wird jedoch durch Lehren und Lernen rein kulturell weitergegeben. Jedes Neugeborene kann jede Sprache der Welt als Muttersprache erlernen.
Darwin hat mit seiner »Abstammung des Menschen« ein Kaffeetischbuch geschrieben, aus dem Leute seinesgleichen Argumente für ihre Superiorität beziehen können. Der Mensch häuft Besitztum an und hinterlässt es seinen Kindern, sodass die Kinder der Reichen in dem Wettlauf nach Erfolg vor denen der Armen einen Vorteil voraushaben, unabhängig von körperlicher oder geistiger Überlegenheit. Darwin erkennt die Ungerechtigkeit sogar an, um dann festzustellen: Es ist indessen das Erben von Besitz und Eigentum durchaus kein Übel. … Das Vorhandensein einer Menge gut unterrichteter Leute, welche nicht um ihr tägliches Brot zu arbeiten haben, ist in einem Grade bedeutungsvoll, welcher nicht unterschätzt werden kann.
Da spricht einer über sich selbst, über sein Menschen- und Frauenbild. Streng betrachtet missbraucht Darwin seine Autorität als Biologe zu gesellschaftspolitischen Aussagen - ohne sich jemals öffentlich in die Politik einzumischen. Die rassistische Komponente seines Klassendenkens hat sich indes bis heute erhalten.
Kein zivilisiertes, abendländisch geprägtes Land hat Rasse und Klasse in der Neuzeit stärker gleichgesetzt und dann getrennt als Südafrika. Die Gewinner (mit Ausnahmen) weiß, die Verlierer (mit Ausnahmen) farbig oder schwarz. Sogar ein eigenes Wort haben sie dafür in die Welt gesetzt. Unter Apartheid verstehen wir bis heute die Rassentrennung am Kap. Als 1994 der Afrikanische Nationalkongress mit Nelson Mandela die Wahl gewinnt, ist das System offiziell abgeschafft. Doch unterschwellig beherrscht es die Gesellschaft noch immer. Selbst die absurde Aufteilung der Verlierer wird bis heute beibehalten: Schwarze Südafrikaner schauen auf »Coloured« herab, auf Inder und Mischlinge, obwohl diese »Farbigen« als Kaufleute und Handwerker wirtschaftlich oft viel besser dastehen als sie. Kulturelle Prägung und biologische Erbschaft haben sich tief ineinander verkeilt.
Als ich, zurückgekehrt auf Darwins Spur, Kapstadt erkunde, fällt es mir schwer, diese Rassentrennung nachzuvollziehen. Zum einen meldet sich permanent das Gewissen, das solche Unterscheidungen nicht hinnehmen will. Zum anderen wäre es einem Außenstehenden völlig unmöglich, die Grenzen zu erkennen. Das gesamte Spektrum von milchweiß über alle Gelb- und Brauntöne bis tiefschwarz ist vertreten. Viele verschiedene Nationen sind hier ineinander gemischt.
Darwin sieht einmal mehr einen vielversprechenden europäischen Ableger: All die Fragmente der zivilisierten Welt, die wir in der südlichen Hemisphäre besucht haben, scheinen aufzublühen; kleine Embryo-Englande schlüpfen in allen Teilen. Die Kap-Kolonie … erscheint in sehr wohlhabendem Zustand. Damals sind die Weißen noch in der Überzahl. Die Zahl der Neger ist nicht sehr groß, und die Hottentotten, die übel behandelten Ureinwohner des Landes, haben, so denke ich, immer noch den kleineren Anteil.
All Colours - one Nation. In Südafrika soll mit dem Ende der Apartheid die Regenbogenrevolution triumphieren. Vierzehn Jahre nach dem Ende der Apartheid erlebe ich ein Land auf der Kippe. Francis Thackeray erinnert sich
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