Darwin - Das Abenteuer Des Lebens
erreichen.
Der knallharten Argumentation in den »Origins of Species« folgt eine wachsweiche Ansammlung von Annahmen und Anekdoten. Darwins Appell, eine zivilisierte Person könne nicht länger glauben, dass der Mensch das Werk eines besonderen Schöpfungsaktes ist, überrascht niemanden. Das Publikum hat sich längst an den Gedanken gewöhnt - wenn es ihn nicht in Bausch und Bogen ablehnt. Er leitet sich logisch aus der Evolutionstheorie ab wie höhere von niederen Wesen.
»Vielleicht niemals in der Geschichte der Philosophie«, schreibt nach Erscheinen des Buches ein Kritiker in der hoch angesehenen »Edinburgh Review«, »sind solch weitreichende Verallgemeinerungen aus einer so schmalen Faktenbasis abgeleitet worden.« Die Grenzen zwischen Wissen, Kolportage und Spekulation lassen sich kaum erkennen. Da ist von Wilden auf der ganzen Welt die Rede, von Affen im Zoo, von den schottischen Hirschhunden … , deren Geschlechter mehr in der Größe voneinander verschieden sind als die irgendeiner anderen Rasse.
Die Leser erfahren, dass Neger und selbst Mulatten fast vollständig frei vom gelben Fieber sind … und auch in großer Ausdehnung von den tödlichen Wechselfiebern. Heute gehört es zum Schulwissen, dass Teilresistenz oder Immunität gegen Malaria auf eine Mutation des Gens für den roten Blutfarbstoff Hämoglobin zurückgehen, die beim Auftreten von zwei gleichen Versionen zu schweren Leiden führt. Der Selektionsdruck durch die Seuche muss so groß gewesen sein, dass selbst die damit einhergehende Sichelzellenanämie unter Afrikanischstämmigen mehr als wettgemacht wurde. Im Juli 2008 berichtet ein internationales Forscherteam, diese Art von Malariaschutz könne das Infektionsrisiko für Aids drastisch erhöhen und teilweise die höheren Ansteckungsraten in Afrika erklären.
Wenn Darwins Menschenbuch wichtig ist, dann für seine Antwort auf die nach wie vor virulente Speziesfrage. Der Mensch ist selbst in dem
rohesten Zustand, in welchem er jetzt existiert, das dominierendste Tier, was je auf der Erde erschienen ist. Er hat sich weiter verbreitet als irgendeine andere hoch organisierte Form, und alle anderen sind vor ihm zurückgewichen. Darwin stellt nicht nur klar, dass alle Menschenrassen eindeutig einer einzigen Art zuzuzählen sind. Er hebt bei allen Unterschieden zwischen ihnen besonders ihre Ähnlichkeiten hervor. Die Eingeborenen von Amerika, die Neger und die Europäer weichen voneinander ihrem Geiste nach so weit ab, als irgend drei Rassen, die man nur nennen könnte. Und doch war ich, als ich mit den Feuerländern an Bord der Beagle zusammenlebte, unaufhörlich von vielen kleinen Charakterzügen überrascht, welche zeigten, wie ähnlich ihre geistigen Anlagen den unsrigen waren.
Zum Schluss jedoch zieht er scharfe Linien und stellt die »Wilden« zwischen sich und die Affen. Was mich betrifft, so möchte ich ebenso gern von jenem heroischen Affen abstammen, welcher seinem gefürchteten Feinde trotzte, um das Leben seines Wärters zu retten, … als von einem Wilden, welcher Entzücken an den Martern seiner Feinde fühlt, blutige Opfer darbringt, Kindsmord ohne Gewissensbisse begeht, seine Frauen wie Sklaven behandelt, keine Züchtigkeit kennt und von dem gröbsten Aberglauben beherrscht wird.
Trotz seines unvergleichlichen Anschauungsunterrichts mit Jemmy Button und den Feuerländern erkennt Darwin nicht die überwältigende Macht der Kultur. Vielmehr glaubt er, dass sich die Urvölker auf einem biologisch minderwertigen Stand befinden und genau wie die überlegene Rasse der Europäer erst alle Zwischenstufen auf der Zivilisationsleiter durchlaufen müssen.
Auf solch einer Zwischenstufe siedelt er auch die Frauen seiner eigenen Rasse an. Es wird meist zugegeben, dass beim Weibe die Vermögen der Anschauung, der schnellen Auffassung und vielleicht der Nachahmung stärker ausgesprochen sind als beim Mann. Aber mindestens einige dieser Fähigkeiten sind für die niederen Rassen charakteristisch und daher auch für einen vergangenen und niederen Zustand der Zivilisation.
Der Weiße als überlegene Rasse gegenüber dem Farbigen wie der Mann gegenüber der Frau. Wie viele große Männer kann auch Darwin sich nicht vom Zeitgeist lösen. Der hauptsächlichste Unterschied in den intellektuellen Kräften der beiden Geschlechter zeigt sich darin, dass der Mann zu einer größeren Höhe in allem, was er nur immer anfängt, gelangt, als zu welcher sich die Frau erheben kann, mag es nun tiefes
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