Darwin - Das Abenteuer Des Lebens
Sicherheit verloren. Wenn man so will, hängt unsere gesamte Kultur an der Steckdose, ohne dass wir darüber allzu häufig nachzudenken.
Ich habe mich auf die Suche nach Darwin gemacht, der so wenig über seinen Aufenthalt am Kap hinterlassen hat. In seinem Reisejournal erwähnt er Kapstadt nur in einem Nebensatz, im Tagebuch notiert er: Ich sah so wenig Sehenswertes, dass ich kaum etwas zu sagen habe. In seinen geologischen Notizen findet sich ein Hinweis, dass er in Green Point an der Atlantikküste eine seltene Gesteinsformation gesehen hat.
Als ich die Stelle im reichen weißen Stadtteil Clifton auch mithilfe meines ortskundigen Fahrers nicht finden kann, frage ich einen drahtigen älteren Mann, der gerade vom Joggen kommt - und erlebe wieder einen der kleinen Zufälle auf meiner Reise: Genau dieser sportliche Rentner, Jeff Fisher, hat sich intensiv mit Darwin beschäftigt. Er
kennt den schwarzen Sedimentstein genau, auf den sich vor fünfhundertvierzig Millionen Jahren flüssiges Magma ergoss und als heller Fels verfestigte. Deutlich heben sich die beiden Schichten voneinander ab. Der geologische Fundort liegt, über eine private Treppe zu erreichen, genau unterhalb von Jeffs lichtdurchfluteter Traumwohnung am Rand des weißen Strandes. Bis vor Kurzem wies oben an der Straße über dem Moses Beach eine Plakette auf Darwins Besuch hin. Doch sie ist - Völker, seht die Symbole - gestohlen worden wie ihr Pendant in Wallerawang hinter den Blue Mountains bei Sydney.
»Als mein Mann bei einem Stromausfall zum ersten Mal im Fahrstuhl stecken blieb«, erzählt Jeffs Frau Barbara, »brach für uns eine Welt zusammen.« Auch wenn das Problem mittlerweile behoben ist: Dass irgendwo irgendwer den Strom abdrehen könne, passt nicht in das Selbstbild von Menschen, die leben wie in Kalifornien oder an der Côte d’Azur. »Wenn Sie mich vor zwei Monaten nach der Zukunft dieses Landes gefragt hätten, wäre meine Antwort positiv gewesen. Jetzt sehe ich schwarz.« Die meisten warten nur noch auf die Fußballweltmeisterschaft 2010. »Wenn die WM schiefgeht, gibt es kein Halten mehr«, fürchtet der einundsiebzigjährige Hausherr.
Doch nicht alle Weißen sehen die Zukunft so düster. Iain Harris führt Touristen an die Kultur der Schwarzen heran, bringt sie zu Ausstellungen und Konzerten in die Townships und verschafft damit den Künstlern und Musikern dort Einkommen. »Da draußen gibt es so viele Möglichkeiten. Man muss sie nur nutzen.« Er zeigt mir Bonteheuwel, einen besonders heruntergekommenen Slum der Farbigen. Staub, Müll, schiefe Hütten aus Blech und Holz, Wäsche über Zäunen, Reihen von Toilettenkabinen, Menschen in Lumpen. Dritte Welt in Nachbarschaft zu Erster. Am Rande der Township entsteht gerade eine neue Siedlung von Einheiten mit Wohnungen mit fließend Wasser und WC. »Das alles braucht Zeit.« Iain stellt mir seinen Vater Jim vor, einen anglikanischen Pastor, der in einem bettelarmen Vorort seine Gemeinde betreut. »Jeder, den ich kenne, glaubt, dass wir es schaffen. Wir könnten Vorbild für ganz Afrika werden.«
Die weiße Mittelklasse hat, wie fast alle Schwarzen und Farbigen, auch keine andere Wahl. Da haben die wenigsten einen britischen Pass wie Francis Thackeray oder der Student Leo. Sie müssen mit der Mehrheit auskommen, auf Gedeih oder Verderb. Die Alternative hieße
Bürgerkrieg. Die erste Bewährungsprobe steht unmittelbar bevor. Die Regierung will Großgrundbesitzer zwingen, einen Teil ihrer Ländereien zum festgelegten Preis an landlose Schwarze zu verkaufen - Teil des Programms zum »Black Economic Empowerment«. Einige der durchweg weißen Eigentümer haben Widerstand angekündigt. Viele Ländereien, vor allem die herrlichen Weingüter von Franschhoek, befinden sich länger im Familienbesitz als ihre Pendants in Europa und pflegten den Rebenanbau schon vor Darwins Tagen. Einige gehören internationalen Investoren. Niemand weiß, wie der Staat das demokratisch beschlossene Gesetz durchsetzen kann.
An einem Sonntag bin ich wieder auf Darwins Spuren unterwegs. Unser erster Tagesritt war zum Dorf Paarl, zwischen 30 und 40 Meilen nordöstlich von Kapstadt. Der adrette Ort, der auch in New Mexico oder Südfrankreich liegen könnte, wirkt wie ausgestorben. Alle Häuser waren ordentlich, komfortabel und weiß getüncht. … Das ganze Dorf besaß eine Atmosphäre ruhigen und respektablen Komforts.
Vor einer Kirche aus dem Jahr 1805 bleibe ich gewohnheitsmäßig stehen. Die müsste Darwin
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