Darwin - Das Abenteuer Des Lebens
Zeiten schon seit einigen Jahren vertrieben. Die reichhaltige Tierwelt der damaligen Tage haben die Menschen längst dezimiert und zurückgedrängt. Allein an Mäusen erhielt ich nicht weniger als acht verschiedene Arten. Das größte Nagetier der Welt, das Hydrochaerus capybara (das Wasserschwein), ist ebenfalls hier heimisch .
Bei den Vögeln haben wir mehr Glück. An diesem Tag habe ich zum ersten Mal wirklich verstanden, was Ornithologen bewegt. Der Formen- und Farbenreichtum der Vogelwelt und die Vielfalt ihrer Verhaltensweisen liefern Bilder und Geschichten für ein ganzes Leben. Wir sehen Grünbindenspechte, Rotkäppchenartige und die »Kiebitze des Südens«, graue Monjitas, Rebhühner, Geier, Falken, Kormorane und Kardinalvögel. Ohne Erfolg versuche ich mir vorzustellen, welchen Vogel Darwin gemeint haben könnte, als er seinen schrillen und recht angenehmen Schrei beschrieb: Die Spanier sagen, es klinge wie die Worte »Bien te veo« (Ich sehe dich gut).
Der »Cerro de las Animas« ist fünfhundert Meter hoch und bietet einen einmaligen Rundblick über die gesamte Küstenlandschaft. Auf dem Berggipfel waren mehrere kleine Steinhaufen, die offensichtlich schon mehrere Jahre dort gelegen hatten. Mein Begleiter versicherte mir, sie seien das Werk aus der alten Zeit. Daniel, der europäische Vorfahren hat, zieht eine Flöte aus seinem Stoffbeutel und stimmt indianische Melodien an. Sie verlieren sich im scharfen Ostwind. Uruguay hat bis auf ein paar versprengte Mestizen keine Urbevölkerung mehr.
Beim Abstieg kommen wir wieder durch dichte Wälder, vorbei an Wasserfällen und rauschenden Bächen, bis sich das Land öffnet, das über dem milchbraunen Río de la Plata keinen Horizont kennt. Im Tal heben sich braun-weiß gescheckte Kühe vom satten Grün ab. Und dann endlich Nandus, die hiesigen, den Straußen in Afrika verwandten Laufvögel. Wir sahen einen in der Ferne; wäre ich allein gewesen, hätte ich gesagt, es war ein sehr großes Reh, das wie ein Rennpferd läuft. Bis in den Süden von Patagonien werden mich diese flugunfähigen Riesenvögel begleiten - mit einer Besonderheit, die zuerst Darwin aufgefallen ist: Die Nandus hier gehören zu einer anderen Art als die in der südlichen
Steppe - mit einem Gebiet der Überlappung zwischen den beiden Spezies. Die südliche wurde nach ihrem Entdecker zunächst RHEA DARWINII genannt, »Darwin-Nandu«. Aber wie kann es sein, dieser Frage wird er intensiv nachgehen, dass zwei so nahe verwandte Arten in benachbarten Gebieten leben?
Die Stadt Maldonado ist in Wirklichkeit nur ein kleines Dorf , schreibt Darwin über seinen Stützpunkt an Land. Ich sah nie einen so ruhigen und verlassen wirkenden Ort. Wir kommen erst in der Abenddämmerung in dem Städtchen an, das sich noch immer zu bemühen scheint, der Beschreibung seines prominentesten Gastes gerecht zu werden. Kaum ein Mensch auf der Straße, nur Lichter hinter Vorhängen in armseligen Häuschen. Die wenigen, die ich nach Darwin fragen kann, haben zwar von ihm gehört, aber dass er einmal hier wohnte, hat keiner gewusst. Alle zeigen sich jedoch hocherfreut, als hätte ich soeben den Namen ihres Ortes auf einer Weltkarte eingezeichnet.
Dann treffen wir den Grundschullehrer Walter Suárez. Sich bei ihm nach dem berühmten Besucher zu erkundigen kommt fast einer Beleidigung gleich. Der »Maestro« - offizieller Titel aller Lehrer - gehört zu jenem Typus Mensch, den auch Darwin während seiner Wochen hier verkörperte. Er ist ein Sammler. Vor Kurzem hat er im Haus neben dem seiner allein lebenden Mutter sein »Museo del Indio y la Mega Fauna« eröffnet. In Vitrinen stellt er zur Schau, was er auf seinen Exkursionen in die Umgebung im Lauf der Jahre gefunden hat - drei Zimmer voll sorgfältig beschrifteter Exponate. Pfeilspitzen, Faustkeile, Mörser und Steinkugeln als Waffen zum Einschlagen von Schädeln erinnern an die indianische Vergangenheit.
Spektakulär seine Sammlung an Fossilien. Ammoniten, Schildplatten ausgestorbener Gürteltiere, Zähne und mächtige Knochen des Riesenfaultiers Megatherium - Teil einer Gigantentierwelt, die bis vor zehntausend Jahren Südamerika bevölkerte. Fossilien werden auf Darwins Reise bald eine neue Phase des Erkennens einleiten. Ich habe mir immer vorgestellt, wie viel Glück er gehabt haben muss, um seine zahlreichen Funde aus der Vorzeit zu machen. »Wenn du den Blick dafür hast, findest du sie überall«, versichert Laienforscher Suárez. »Zu Darwins Zeiten
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