Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Darwin - Das Abenteuer Des Lebens

Titel: Darwin - Das Abenteuer Des Lebens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juergen Neffe
Vom Netzwerk:
Lebenslage .
    Sollte es in der Natur nicht ähnlich laufen? Kann man sich vorstellen, dass unter hunderttausend Pinguinen sich alle optimal nach den Regeln der geschlechtlichen Auslese paaren? Oder geht es ihnen vielleicht wie den Menschen, die sich zwar vielfach nicht auf den Ersten, aber dann auf den Erstbesten einlassen, wenn das soziale Umfeld halbwegs passt und »die Chemie stimmt«? Am Ende sind wir weniger wählerisch, als wir meinen. Warum soll es den Tieren immer anders ergehen? Welche Bedeutung die sexuelle Selektion, die den Schönsten zum Fittesten macht, überhaupt im menschlichen Evolutionsprozess hat, lässt sich nicht beziffern. Manche Biologen würden das Konzept
am liebsten ganz über Bord werfen, auch wenn Pfauenrad und Hahnenkamm als Musterfälle die Lehrbücher noch über Generationen schmücken werden.
     
    Im Biologiestudium lernen wir, tierisches Verhalten nicht nach menschlichen Gesichtspunkten zu bewerten. Bei keiner Tiergruppe, außer den Menschenaffen, fällt mir das so schwer wie bei den Pinguinen. Und das, obwohl sie als Vögel keine Gesichter mit großen Augen und niedlichen Nasen haben, sondern lange Schnäbel und kleine, ziemlich ausdruckslose Knopfaugen. Doch wenn sie watscheln, auf zwei Beinen wie wir, schwarze Flügelflossen wie eifrig rudernde Arme am weißem Bauch, den sie vorstrecken, als zeigten sie stolz ihr blütenreines Hemd, dann rühren sie tief an Gefühle menschlicher Verwandtschaft.
    Und wenn sie zusammenstehen, die Befrackten, zu zweit oder in trauter Runde, gestikulierend und schnatternd, dahinter das Rauschen der Masse, dann meint man förmlich zu hören, wie ein paar Herren im Foyer eines Opernhauses die erste Hälfte einer Aufführung erörtern. Darwin geht es da nicht anders. Als er sich auf den Falklands einem Eselspinguin in den Weg stellt, amüsierte [ich] mich sehr über sein Verhalten. Er war ein tapferer Vogel. … Jeden Zoll, den er gewann, verteidigte er standhaft, indem er sich aufrecht entschlossen vor mich hinstellte. Derart angegangen, rollte er in sehr possierlicher Weise unablässig den Kopf hin und her.
    Ich glaube, Darwin liegt mit der Vermenschlichung der Tiere richtig und der Biologieunterricht falsch. Je mehr Panda-, Eis- oder Koalabären durch Medienpräsenz quasi zu Mitbürgern werden, desto eher werden die Kreaturen als Mitbrüder und -schwestern erkannt. Robben und Delfine, Wale und Elefanten haben allein durch ihre - scheinbare - Nähe zu uns viel zu ihrem eigenen Schutz und dem etlicher anderer Lebewesen beigetragen. Ohne diese Ikonen wären Natur- und Artenschutz nicht so weit, wie sie heute sind. Leute wie der Fernsehzoologe Bernhard Grzimek haben das sehr früh begriffen.
    Die weitverbreitete umgekehrte Sichtweise, tierisches Verhalten auf den Menschen zu übertragen, führt dagegen oft zu plumpem Biologismus. Schon die Unterschiede zwischen den beiden nächsten Verwandten des Menschen - »gemeiner« Schimpanse und der etwas kleinere Zwergschimpanse Bonobo - machen die Gefahr einfacher
Rückschlüsse deutlich: Äußerlich sehr ähnlich, könnte ihr jeweiliges Verhalten kaum weiter voneinander abweichen.
    Die größeren Schimpansen tragen Auseinandersetzungen oft aggressiv aus und schrecken sogar vor mörderischen Feldzügen gegen Artgenossen nicht zurück. Als die Primatenforscherin Jane Goodall 1974 erstmals von Schimpansenkriegen berichtet, die oft erst enden, wenn eine Partei völlig ausgelöscht ist, schockierte und faszinierte die Nachricht gleichermaßen. Die Tatsache, dass allein Menschen und Schimpansen diese Verhaltensweisen zeigen, legte den Schluss nahe, dass Kriege und sogar Völkermord biologische Wurzeln haben, also ganz natürlich sind. Ein willkommenes Argument für die Soziobiologie.
    Bei Bonobos dagegen, von Wissenschaftlern als »sanfte« oder »gute Affen« beschrieben, sind weder Treibjagden noch brutale Stammeskriege bekannt. Auch Bonobo-Männer geraten mitunter in Kämpfe, doch sind sie dabei sehr viel weniger brutal als ihre männlichen Vettern. Über erzwungenen Sex, wie er bei den anderen Menschenaffen mehr oder wenig üblich ist, wurde bei den Zwergschimpansen noch in keinem Fall berichtet. Und das Prügeln erwachsener Weibchen kommt ebenso wenig vor wie Kindstötungen, die vor allem bei den Gorillas verbreitet sind.
    Bei den Bonobos gelten Alphaweibchen und Alphamännchen gleich viel. Doch obwohl auch bei ihnen die männlichen die deutlich kräftigeren Tiere sind, besitzen die Äffinnen die Macht, und zwar

Weitere Kostenlose Bücher