Darwin - Das Abenteuer Des Lebens

aus einem einfachen Grund: Sie halten zusammen und sind gemeinsam stark. Während bei den größeren Schimpansen nur die männlichen Tiere Allianzen bilden, etwa zur Jagd, kommen solche Bündnisse bei den Bonobos allein unter Frauen vor. Bemerkenswert, dass die Frauenfreundschaften regelmäßig durch gleichgeschlechtlichen Sex bekräftigt werden. Wie Menschen in Missionarsstellung liegen dabei die Freundinnen aufeinander, die Gesichter einander zugewandt. Bonobos haben Sex, um Freunde zu gewinnen, um gereizte Artgenossen zu entspannen oder zur Versöhnung nach einem Streit.
    Besaß unser gemeinsamer Vorfahr, wie das Beispiel zeigt, nicht das Potenzial zu beiden Optionen? Hätten menschliche Gesellschaften, wie Ethnologen glauben, womöglich nach wie vor die Wahl, den friedlichen Weg zu gehen, wenn nur die weiblichen Mitglieder ihre
Power bündeln würden? Oder ist, so die Gegenposition, die Aggressivität der Menschenmännchen der unausweichliche Preis des zivilisatorischen Himmelssturms von HOMO SAPIENS? Ohne Morde kein Mozart?
    Darwin sieht seinen ersten Affen im Londoner Zoo. Jenny, das dreijährige Orang-Utan-Weibchen, wird gleich nach ihrem Kauf im November 1837 zur Sensation für die Hauptstädter. In seinem neuen Notizbuch M lässt er sich seitenweise über seine Beobachtungen aus. Der Mensch sollte sich den domestizierten Orang-Utan anschauen, … seine Intelligenz erleben, … als verstünde er jedes Wort, das man zu ihm sagt. … Er sollte sich einen Wilden anschauen, der seine Eltern brät, nackt, ungesittet, der keine Fortschritte macht, obwohl er dazu fähig ist. Und dann soll er noch einmal wagen, sich stolz als Krone der Schöpfung zu bezeichnen.
    Im Sommer 1838, er verkehrt bereits mit Cousine Emma, ohne ihr bislang die Ehe angeboten zu haben, schreibt er im Hochgefühl seiner Erkenntnisse: Wer Pavian versteht, wird mehr für die Metaphysik tun als Locke - der große Philosoph der englischen Aufklärung. Im November ist sich Darwin mit seiner Auserwählten einig, warnt sie aber: Bedenke bitte, dass »alle Männer Rohlinge sind«, wie eine junge Dame sagte, und dass ich die Tendenz zum einsiedlerischen Rohling habe.
    Als einer, der jeden Stein umdreht und sich über alles Gedanken macht, erlaubt uns Darwin in seinen geheimen Notizen auch einen kleinen Einblick in seine kühle biologische Sicht auf den Sex. Unsere Tendenz, zu küssen und fast zu beißen, was wir sexuell begehren, hängt wahrscheinlich mit dem Speichelfluss zusammen; daher die Aktion von Mund und Kiefern. Von lasziven Frauen sagt man, dass sie beißen; Hengste tun das immer.
     
    Bei fast allem im Leben kann man sich fragen: Was hat sich die Evolution dabei gedacht? Das geht schon beim morgendlichen Rasieren los. Warum haben in der Regel Männer Bärte und Frauen nicht? Ästhetische Präferenz? Schutz vor Kälte? Ich beschließe, mich wie Darwin nicht mehr zu rasieren. Alles zeigt an, dass wir barbarische Regionen ansteuern, alle Offiziere haben ihre Rasierer verstaut und beabsichtigen, ihre Bärte in wahrhaft patriarchischer Weise wachsen zu lassen. Mit jeder Seemeile näher zum Südpol sinken die Temperaturen.
    In Stromness, einer verlassenen Walfangstation auf Südgeorgien,
sind unvorstellbare 175 000 Wale »verarbeitet« worden. Und das war nur ein kleiner Teil der 1,4 Millionen Großsäuger, die insgesamt in Antarktika gejagt wurden. Hier, wo heute die Überreste einst blutbesudelter Schlachthöfe vor sich hin rosten und zusammenfallen, lassen sich gleich zwei extreme Formen des Survival of the fittest studieren, eine tierische und eine menschliche. Ernest Shackleton, der berühmte Polarforscher, und seine zwei Begleiter sind hier 1916 am Ende ihrer Odyssee durch die Antarktis völlig erschöpft angelangt. Durch ihre Heldentat - zuletzt müssen sie in einem 36-Stunden-Marsch noch die eisige Insel überqueren und sich an einem Wasserfall abseilen - kann die gesamte Besatzung der vom Eis zerdrückten Endurance gerettet werden. In ihrem Überleben triumphieren Wille und Wissen, Führungsstil und Teamgeist.
    Heute ist der steinige Strand Territorium der Alphamännchen von Seebärenkolonien. Für Soziobiologen ein Musterfall. Biologie pur. Hier zählen allein Körperkraft und -geschick. Die Selektion hat dafür gesorgt, dass die Männchen an Masse die Weibchen um ein Vielfaches übertreffen. Bei den See-Elefanten wiegen die Bullen sogar bis zu fünf Tonnen und können damit siebenmal so schwer sein wie die Kühe. Dieser