Darwin - Das Abenteuer Des Lebens
repräsentieren vielleicht noch mehr den Typ knorriger Seebär, die jüngeren den sachlichen Manager. Aber alle haben, zumindest im Dienst, die gleiche entschlossene wie verschlossene Art - ein bisschen herrschaftlich, ein bisschen selbstherrlich und abgehoben, und oft auch ein Stück weit gebrochen wie so viele andere in leitender Position.
Daniel Felgner, Kapitän der Bremen, besitzt jene natürliche Autorität, ohne die keiner auf regulärem Weg in solch eine Stellung gerät. Ein Stück weit ist der Alpha dem Alpha wohl angeboren. Den Rest muss er lernen wie Yuriy auf der Aliança Pampas. Leute wie Felgner und sein Kollege Khoklov dominieren zum Teil durch physische Präsenz. Ein stämmiger Kerl, dem allein schon seine perfekt sitzende Uniform Respekt verschafft. Mit Masse wird seine Erste Offizierin keine Punkte machen können. Dennoch wird auch die zierliche Margrith Ettlin als Kapitänin auf der Brücke ihre Frau stehen, die weiß, dass sie hier für gutes Geld einen guten Job zu verrichten hat, sachlich, kompetent, freundlich - aber immer auch ein Stück weit unnahbar. Letztlich bleiben Entscheidungen ein einsames Geschäft.
Die Abläufe - ein Zauberwort der Technokraten - liegen im Großen und Ganzen fest, vom Ablassen des Brauchwassers bis zur Einfahrt
in einen Hafen. Der Apparat läuft wie ein guter, arbeitsteiliger Organismus. Da auf Großschiffen das Personal alle paar Monate wechselt, muss sich jeder entsprechend seiner Spezialisierung sofort in die vorhandenen Mechanismen einfügen. Da haben viele »Tüchtige« Platz neben dem Alpha. Die einen können besonders gut zwischen Interessen vermitteln, andere kreativ mit neuen Problemen umgehen, wieder andere sich meisterhaft unterordnen oder auch einfach verdrücken. Feigheit als Vorteil? Die Biologie hält alles bereit. Sogar Täuschung und Lüge haben sich bewährt.
In der modernen Evolutionstheorie wird das Konzept der »Gruppenselektion« diskutiert. Danach können sich Erbanlagen durchsetzen, die dem Einzelnen keinen Fortpflanzungserfolg sichern, aber das Überleben der Gruppe als Ganzes garantieren. In evolutionärer Logik, die rückblickend auf Erfolg und Misserfolg, Überleben oder Aussterben schaut, ist das durchaus plausibel. Schon Darwin vermutet, dass die Selektion auf vielen Hierarchiestufen wirken kann. Doch erst mehr als hundert Jahre nach Veröffentlichung seiner Evolutionstheorie hat der britische Biologe William Hamilton 1964 »die genetische Evolution des sozialen Verhaltens« analysiert und Kooperation und Altruismus eine evolutionär begründbare, genetische Grundlage gegeben.
Beim Menschen ist das Prinzip augenfällig. Anthropologen gehen davon aus, dass Jäger-Sammler-Gesellschaften wie die Yámana in Feuerland über Jahrtausende nur aufgrund ihrer egalitären Ethik bestehen konnten. Gruppen von Altruisten besitzen in der Regel eine größere evolutionäre »Fitness« als solche von Non-Altruisten. Wer teilt, überlebt. Das gilt auch für größere Einheiten, in denen nur vage biologische, aber enge kulturelle Verwandtschaften bestehen, für Stämme, Völker und im zunehmenden Maß auch für die gesamte Menschheit.
Das Gegenextrem, ein absolut Einzelner, stellt dagegen eine biologische Unmöglichkeit dar, die sich nur in der Literatur als Kaspar-Hauser-Gedankenexperiment verwirklichen lässt. Mit viel Glück kann ein Menschenbaby in der Wildnis überleben, wenn es von Wölfen oder anderen Tieren aufgenommen wird. Aber wenn es dort erwachsen wird, kann solch eine Dschungelkind nur noch begrenzt Teil einer menschlichen Gemeinschaft werden. Würde man einen Kaspar Hauser schaffen, einen Menschen, der allein auf seine genetische Mitgift gestellt wäre und keine einzige kulturelle Errungenschaft vermittelt
bekäme, keine Sprache, keine Fingerfertigkeiten, kein soziales Verständnis, dann würde sich erschreckend deutlich zeigen, wo wir rein biologisch stehen.
Ein Gehirn, das sich isoliert von Sprache und kulturellen Einflüsterungen entwickeln muss, unterscheidet sich sogar im Aufbau seines Gewebes von solchen, die in Gemeinschaft reifen. Die prinzipielle Fähigkeit zu kommunizieren scheint indes angeboren. Wachsen zwei Kinder ohne gesprochene Sprache miteinander auf, entwickeln sie spontan eine Zeichensprache, die immer komplexer wird. Da diese und alle bekannten Gebärdensprachen der Gehörlosen die gleichen Grundstrukturen aufweisen, spekulieren Forscher sogar, dass am Anfang nicht das schlichte Wort stand, sondern mit Befreiung
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