Darwin und die Götter der Scheibenwelt
einfachen ›Stein‹ Beweise für geologische Zyklen, die hundert Millionen bis eine Milliarde Jahre dauern. Die Reihenfolge der Zeitalter stimmt mit der Reihenfolge überein, in der der Kristall abgelagert worden sein muss. Wenn das allgemeine Szenarium, wie Geologen es sehen, falsch wäre, würde ein einziges Sandkorn genügen, um es zu widerlegen. Damit sind die riesigen geologischen Zyklen selbst natürlich noch nicht bestätigt: Sie werden aus anderen Beweisen geschlussfolgert. Die Wissenschaft ist ein Kreuzworträtsel.
Wir können von den Zirkonen noch mehr erfahren. Man nimmt an, dass das Verhältnis zweier Kohlenstoffisotope, C-12 und C-13, Kohlenstoff aus organischem Material von unorganischem unterscheiden kann. Die Isua-Formation enthält Kohlenstoff, und das Verhältnis weist darauf hin, dass es möglicherweise vor 3,8 Milliarden Jahren Leben gegeben hat, überraschend kurze Zeit nachdem die Erdoberfläche erstarrte. Doch diese Schlussfolgerung ist umstritten, und viele Wissenschaftler glauben, dass andere Erklärungen nicht auszuschließen sind.
Jedenfalls wissen wir, dass es für die Isua-Zirkone nicht in Frage kommt, »schon immer dort gelegen« zu haben. Steine sind viel interessanter, als es den Anschein haben mag, und jeder, der die Gesteine zu deuten versteht, kann viel über ihre Geschichte ableiten. Paley glaubte, er könne aus dem komplexen Aufbau eines Auges die Existenz Gottes ableiten. Von einem Zirkon kommen wir nicht auf Gott, wohl aber auf riesige geologische Zyklen von Gebirgsbildung und Erosion … und möglicherweise auf ein außerordentlich hohes Alter des Lebens.
Man sollte einen bescheidenen Stein niemals unterschätzen. Vielleicht ist er eine verkleidete Uhr.
Paleys Standpunkt lautet, dass man hat, was man sieht. Der Anschein ist die Wirklichkeit. Sein Titel Natürliche Theologie sagt genau das, und der Untertitel* [* ›Beweise für die Existenz und Attribute der Gottheit, gesammelt anhand der Erscheinungsformen der Natur‹. – Anm. d. Übers. ] könnte kaum direkter sein. Organismen sehen wie entworfen aus, weil sie entworfen worden sind , und zwar von Gott; sie scheinen einen Zweck zu haben, weil sie tatsächlich einen haben: den von Gott verfolgten. Wohin Paley auch blickte, sah er Spuren von Gottes Handarbeit; alles ringsumher war ein Beweis für die Existenz des Schöpfers.
Derlei ›Beweise‹ gibt es in solchem Überfluss, dass es keine Mühe macht, Beispiele anzuhäufen. Paleys Hauptbeispiel war das Auge. Er bemerkte dessen Ähnlichkeit mit dem Fernrohr und schloss daraus, dass, da ein Fernrohr entworfen wird, das Auge auch entworfen sein muss. Die Kamera existierte zu seiner Zeit noch nicht* [* Nur die Camera obscura, ein Raum mit einem kleinen Loch in einer Wand. Paley schrieb erstmals 1802 über das Auge, während die Fotografie im eigentlichen Sinne auf das Jahr 1826 datiert.], doch wenn es sie gegeben hätte, hätte er noch größere Ähnlichkeiten gefunden. Wie ein Fernrohr oder eine Kamera hat das Auge eine Linse, um einfallendes Licht in einem Punkt zu bündeln, damit ein Bild entsteht. Das Auge hat eine Netzhaut, um das Bild aufzunehmen, wie das Fernrohr einen Beobachter hat oder einen Schirm, auf den das Bild projiziert wird.
Die Linse des Auges ist ohne Netzhaut nutzlos; die Netzhaut ist ohne Linse nutzlos. Man kann ein Auge nicht Stück für Stück zusammensetzen – man braucht das Ganze auf einmal, oder es funktioniert nicht. Spätere Verfechter theistischer Erklärungen des Lebens haben aus Paleys ausgefeilten Argumenten den plumpen Slogan ›Was nützt ein halbes Auge?‹ gemacht.
Einer der Gründe, an Paleys Erklärung des ›Entwurfs‹ zu zweifeln, ist die Tatsache, dass man in der Wissenschaft sehr selten das hat, was man sieht. Die Natur ist alles andere als offensichtlich. Die Wellen auf dem Ozean sehen vielleicht so aus, als liefen sie in eine Richtung, doch das Wasser bewegt sich größtenteils in winzigen Kreisen am Ort. (Andernfalls wäre das Land sehr bald überschwemmt.) Die Sonne mag ja scheinbar um die Erde kreisen, in Wahrheit aber ist es andersherum. Gebirge, scheinbar solide und stabil, heben und senken sich in geologischen Zeiträumen. Kontinente bewegen sich. Sterne explodieren. Also ist die Erklärung, »es sieht aus wie entworfen, weil es entworfen worden ist «, ein wenig zu trivial, zu offensichtlich, zu flach. Damit ist nicht bewiesen, dass sie falsch sei, doch es gibt uns zu denken.
Darwin gehörte zu einer auserlesenen
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