Darwin und die Götter der Scheibenwelt
dar, wenn keine Kräfte darauf einwirken. Kräfte verändern die Bewegung, und die wichtigste Kraft ist die Gravitation. Einstein entwickelte die Allgemeine Relativitätstheorie, um die Gravitation in die Spezielle Relativität einzubeziehen. In der Newtonschen Physik ist die Gravitation eine Kraft: Sie zieht Teilchen von den geraden Linien weg, denen sie folgen würden, wenn keine Kraft wirken würde. In der Allgemeinen Relativitätstheorie ist die Gravitation eine geometrische Eigenschaft des Universums – eine Form der Raumzeit-Krümmung.
Im Minkowski-Raum entsprechen den Punkten Ereignisse, die sowohl im Raum wie in der Zeit einen Ort haben. Der ›Abstand‹ zwischen zwei Ereignissen muss enthalten, wie weit sie voneinander im Raum und wie weit sie in der Zeit entfernt sind. Man erreicht dies, grob gesprochen, indem man den räumlichen Abstand zwischen ihnen nimmt und davon den zeitlichen Abstand subtrahiert. Diese Größe wird das Intervall zwischen den beiden Ereignissen genannt. Wenn man stattdessen das Offensichtliche täte und den Zeitabstand zum Raumabstand addierte , hätten Raum und Zeit exakt die gleiche physikalische Bedeutung. Es gibt jedoch deutliche Unterschiede: Freie Bewegung im Raum ist leicht, aber freie Bewegung in der Zeit nicht. Die Zeitdifferenz abzuziehen widerspiegelt diesen Unterschied; mathematisch läuft es darauf hinaus, dass man die Zeit als imaginären Raum betrachtet – Raum, multipliziert mit der Quadratwurzel aus minus eins.* [* Es werden nämlich – nicht ganz so grob gesprochen – nicht die Abstände subtrahiert, sondern es werden durchaus (wie beim Satz des Pythagoras) die Quadrate der Abstände addiert . Nur dass das Quadrat einer imaginären Zahl eben definitionsgemäß negativ ist. – Anm. d. Übers. ] Und das hat eine bemerkenswerte Wirkung: Wenn ein Teilchen sich mit Lichtgeschwindigkeit bewegt, ist das Intervall zwischen zwei beliebigen Ereignissen auf seiner Weltlinie gleich null.
Denken Sie an ein Photon, ein Lichtteilchen. Es bewegt sich natürlich mit Lichtgeschwindigkeit. Während ein Jahr Zeit vergeht, legt es ein Lichtjahr zurück. Die Summe von 1 und 1 ist 2, aber so berechnet man das Intervall ja nicht. Das Intervall ist die Differenz 1–1, also 0. Das Intervall bezieht sich also auf den scheinbaren Zeitverlauf für einen sich mitbewegenden Beobachter. Je schneller sich ein Objekt bewegt, umso langsamer scheint die Zeit für das Objekt zu vergehen. Dieser Effekt wird Zeitdilatation genannt. Je mehr man sich der Lichtgeschwindigkeit nähert, umso langsamer verstreicht die Zeit, wie man sie wahrnimmt. Wenn man mit Lichtgeschwindigkeit reisen könnte, wäre die Zeit eingefroren. Auf einem Photon vergeht keine Zeit.
In der Newtonschen Physik folgen Teilchen, wenn keine Kräfte auf sie einwirken, geraden Linien. Gerade Linien sind der kürzeste Abstand zwischen zwei Punkten. In der relativistischen Physik haben frei bewegliche Teilchen eine Bahn, die dem kürzesten Intervall entspricht, und folgen geodätischen Linien oder Geodäten* [* Die Geodäte, weiblich. Der Geodät ist ein Landvermesser. Auf der Rundwelt haben die beiden praktisch nichts miteinander zu tun. – Anm. d. Übers. ]. Die Gravitation schließlich wird nicht als zusätzliche Kraft einbezogen, sondern als Verzerrung der Struktur der Raumzeit, die die Größe des Intervalls und die Form der Geodäten verändert. Dieses variable Intervall zwischen benachbarten Ereignissen wird die Metrik der Raumzeit genannt.
Das übliche Bild besagt, dass die Raumzeit ›gekrümmt‹ wird, obwohl dieser Begriff leicht fehlzudeuten ist. Insbesondere braucht sie nicht um irgendetwas anderes herumgekrümmt zu sein. Die Krümmung wird physikalisch als Gravitationskraft interpretiert und bewirkt eine Verformung von Lichtkegeln.
Ein Ergebnis ist die Bildung von ›Gravitationslinsen‹, die Beugung von Licht um massereiche Objekte, die Einstein 1911 entdeckte und 1915 veröffentlichte. Er sagte vorher, dass die Gravitation Licht doppelt so stark beugen müsse, wie es aus den Newtonschen Gesetzen folgt. 1919 wurde diese Vorhersage bestätigt, als Sir Arthur Stanley Eddington eine Expedition zur Beobachtung einer totalen Sonnenfinsternis in Westafrika leitete. Andrew Crommelin vom Greenwich-Observatorium leitete eine zweite Expedition in Brasilien. Die Expeditionen beobachteten Sterne nahe am Rand der Sonnenscheibe während der Verfinsterung, als sie nicht vom viel helleren Licht der Sonne überstrahlt waren. Sie
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