Darwin und die Götter der Scheibenwelt
Ergebnis einer Subduktion sind, da sich die Nazca-Platte unter die südamerikanische Platte schiebt.
Darwins Interesse für Geologie hatte andere, weniger offensichtliche Folgen. Er begann, sich über die Galápagos-Finken zu wundern. Sie schienen Lyells Ansicht zu widersprechen, wonach die örtlichen geologischen Bedingungen festlegten, welche Arten erschaffen wurden. Es war ein Rätsel.
Es war sogar ein noch viel größeres Rätsel, als Darwin glaubte, denn die Finken hatte er völlig missverstanden. Er glaubte, sie alle ernährten sich in großen Schwärmen von der gleichen Nahrung. Er hatte bei ihren Schnäbeln keine wichtigen Unterschiede bemerkt und sogar Mühe, unterschiedliche Arten zu identifizieren. Manche hielt er überhaupt nicht für Finken, sondern für Zaunkönige und Amseln. Er war von den Vögeln so verblüfft und gegenüber den von ihm gesammelten Exemplaren so gleichgültig, dass er sie allesamt der Zoologischen Gesellschaft schenkte. Binnen zehn Tagen hatte der Vogelexperte der Gesellschaft, John Gould, festgestellt, dass sie alle Finken waren, alle eng verwandt, und eine nahe beieinanderstehende Gruppierung bildeten, der nichtsdestoweniger zwölf* [* Heute zählt man dreizehn Arten und eine vierzehnte auf den Cocos-Inseln. Wissen Sie, die Leute schreiben und beschweren sich, wenn wir auf derlei Dinge nicht hinweisen!] unterschiedliche Arten angehörten. Diese Anzahl war für solch eine kleine Gruppe winziger Inseln überraschend hoch. Was hatte solche Vielfalt bewirkt? Gould wollte es wissen, doch Darwin kümmerte es nicht.
1837 war Paleys Logik nicht mehr im Schwang. Der wissenschaftlich gebildete Theist glaubte nun, dass Gott zum Zeitpunkt der Schöpfung die Naturgesetze festgelegt habe und dass dazu nicht nur die Gesetze der Physik ›im Hintergrund‹ zählten, was auch Paley vertreten hatte, sondern ebenso die Entwicklung der Lebewesen, was Paley geleugnet hatte. Die Gesetze des Universums standen für alle Ewigkeit fest. Das mussten sie, denn sonst wäre Gottes Schöpfung mangelhaft gewesen. Paleys Analogien wurden gegen ihn verwendet. Welcher Mechaniker baute denn derart schlechte Maschinerien, dass Er immerzu daran herumfummeln musste, um sie in Gang zu halten?
Wissenschaft und Theologie rissen auseinander. Die politische Korruption der Kirche war allmählich nicht mehr zu leugnen, nun gerieten auch ihre intellektuellen Ansprüche unter Beschuss. Und einige radikale Denker, oft Mediziner, die vergleichende Anatomie studiert und bemerkenswerte Ähnlichkeiten zwischen den Knochen völlig verschiedener Tiere festgestellt hatten, befassten sich mit Spekulationen, die das Bild von der Schöpfung selbst veränderten. Der Bibel zufolge hatte Gott jede Tierart fertig erschaffen – Wale und Geflügel am fünften Tag, Vieh und kriechende Wesen und Menschen am sechsten. Doch diese Mediziner kamen auf den Gedanken, Arten könnten sich ändern, könnten ›transmutieren‹ und seien nicht für alle Zeit festgelegt. Sie erkannten, dass eine ziemlich große Lücke bestand zwischen, sagen wir, einer Banane und einem Fisch. Man konnte diese Lücke nicht in einem Schritt überspringen. Doch mit genug Zeit und genug Schritten …
Darwin wurde allmählich von der Strömung mitgerissen. Sein Rotes Notizbuch, wo er alles festhielt, was er sah oder was ihm einfiel, begann auf die ›Veränderlichkeit von Arten‹ hinzudeuten. Die Andeutungen waren unvollständig und schlecht sortiert. Missgestaltete Säuglinge erinnerten an neue Arten. Die Schnäbel der Galápagos-Finken hatten unterschiedliche Formen und Größen. Nandus jedoch waren ein Rätsel: Zwei verschiedene Arten der Großvögel bewohnten sich überlappende Gebiete in Patagonien. Warum verschmolzen sie nicht zu einer einzigen Art?
Im Juli hatte er bereits insgeheim ein neues Notizbuch begonnen, sein Notizbuch B.
Es handelte von der Transmutation der Arten.
Bis 1839 entwickelte Darwin ein vollständiges Bild und schrieb eine fünfunddreißigseitige Zusammenfassung seiner Gedanken. Ein entscheidender Einfluss ging von Thomas Malthus aus, dessen Abhandlung über das Bevölkerungsgesetz darlegte, dass das ungehinderte Wachstum von Organismen exponentiell (oder ›geometrisch‹, wie man damals sagte) verläuft, während sich die Ressourcen linear (›arithmetisch‹) entwickeln. Exponentielles Wachstum liegt vor, wenn sich eine Größe bei jedem Schritt um einen festliegenden Faktor vervielfacht, beispielsweise 1, 2, 4, 8, 16, 32, wo jede Zahl
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