Darwin und die Götter der Scheibenwelt
stattgefunden hat, da keine bisher geäußerte Ansicht mich diesbezüglich befriedigt.« Und später sagte er ziemlich ätzend: »Es hat schwerlich jemand ein Recht, die Frage der Arten zu untersuchen, der nicht viele Arten genauestens untersucht hat.« Darwin nahm sich diesen Rat zu Herzen und sah sich nach neuen Arten um, für die er Experte werden könnte. 1864 schickte er die Endkorrektur seines Geologiebuchs in die Druckerei zurück und feierte dieses Ereignis, indem er die letzte Flasche der aufbewahrten Sammelstücke von der Beagle -Reise öffnete. Obenauf bemerkte er einen Rankenfüßer vom Chronos-Archipel – ein Schalentier.
Das würde genügen. Es war so gut wie irgendetwas anderes.
Hooker half Darwin, sein Mikroskop einzurichten und erste anatomische Beobachtungen zu machen. Darwin bat Hooker, dem neuen Tier einen Namen zu geben, und zusammen entschieden sie sich für Arthrobalanus * [* Wörtlich ›Gelenkahorn‹.] ›Mr. Arthrobalanus‹, wie sie es unter sich nannten, erwies sich als einigermaßen ungewöhnlich. »Ich glaube, Arthrobalanus hat überhaupt keinen Ovisac!«, schrieb Charles. »Das scheinbare Vorhandensein ist einzig der Aufspaltung und dem Hochschlagen des hinteren Penis geschuldet.« Um das Rätsel zu lösen, holte er andere Rankenfüßer aus der Flasche und betrachtete sie ebenfalls. Jetzt befasste er sich mit vergleichender Anatomie der Rankenfüßer und hatte riesige Freude an der unmittelbaren Erfahrung. Das war besser als Schreiben.
Gegen Weihnachten war er zu dem Entschluss gelangt, jeden der Menschheit bekannten Rankenfüßer zu studieren – die gesamte Ordnung Cirripedia . Was sich als ziemlich viel erwies, also ließ er es bei den britischen bewenden. Selbst das waren ziemlich viele, und die Aufgabe kostete ihn schließlich acht Jahre.
Er hätte früher fertig sein können, doch 1848 begann er sich für Rankenfüßersex zu interessieren, und der war wirklich sehr eigenartig. Die meisten Rankenfüßer waren Zwitter, imstande, jedes Geschlecht anzunehmen. Manche Arten hatten jedoch gute altmodische Männchen und Weibchen. Außer dass die Männchen den größten Teil ihres Lebens in die Weibchen eingeschlossen verbrachten.
Nicht nur das: Manche vermeintlich zwitterhaften Arten hatten ebenfalls winzige Männchen, die irgendwie bei der Fortpflanzung mitwirkten.
Nun war Darwin sehr aufgeregt, denn er war zur Überzeugung gelangt, bei seiner Beobachtung handle es sich um ein Überbleibsel der Evolution, bei der ein zwitterhafter Vorfahr allmählich getrennte Geschlechter entwickelte. Ein ›missing link‹, ein fehlendes Zwischenglied für Rankenfüßersex. Er konnte den Stammbaum der Rankenfüßer rekonstruieren, und was er sah, stärkte seine Ansichten über natürliche Auslese. Selbst als er versuchte, respektable Wissenschaft zu machen und Taxonom zu werden, drängte sich die Transmutation immer wieder ins Bild. Ja, wenn überhaupt etwas Darwin davon überzeugte, dass er mit der Transmutation Recht hatte, dann die Rankenfüßer.
Er wurde krank, arbeitete jedoch weiter an Rankenfüßern. 1851 veröffentlichte er zwei Bücher über sie – eins über fossile Rankenfüßer für die Paläontologische Gesellschaft, das andere über die lebenden für die Royal Society. 1854 hatte er zu beiden je eine Fortsetzung geschrieben.
Dies waren Darwins acht falsche Bücher:
1839: Tagebuch naturgeschichtlicher und geologischer Untersuchungen über die während der Weltumseglung auf I. M. Schiff Beagle besuchten Länder.
1842: Über den Bau und die Verbreitung der Korallenriffe.
1844: Geologische Beobachtungen über die während der Reise von I.M.S. Beagle besuchten vulkanischen Inseln.
1846: Geologische Beobachtungen über Süd-Amerika.
1851: Monographie über die fossilen Lepadidae oder Die gestielten Rankenfußkrebse von Großbritannien.
1851: Monographie über die Unterklasse Cirripedia, Band 1.
1854: Monographie über die fossilen Balanidae und Verrucidae von Großbritannien.
1854: Monographie über die Unterklasse Cirripedia, Band 2.
Keine Spur von der Transmutation der Arten, dem Kampf ums Dasein oder der natürlichen Auslese.
Dennoch waren auf seltsame Weise alle seine Bücher – sogar die geologischen – entscheidende Schritte zu dem Werk, das sich nun in seinem Kopf zusammenfügte. Darwins neuntes Buch würde pures Dynamit sein. Er wollte es verzweifelt gern schreiben, hatte jedoch schon entschieden, dass es viel zu gefährlich sei, um veröffentlicht zu werden.
Es
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