Darwin und die Götter der Scheibenwelt
hervorbringen.
Die riesige Vielfalt der Hunde ist so gut bekannt, dass man nicht einmal Beispiele nennen muss. Die Spezies Hund ist keineswegs außergewöhnlich formbar, nur die Hundezüchter waren und sind ungewöhnlich aktiv und einfallsreich. Es gibt Hunde für jeden Zweck, den ein Hund erfüllen kann. Wiederum, es sind alles Hunde , keine neuen (wenngleich verwandten) Arten. Sie können sich meistenteils (außer bei wirklich erheblichem Größenunterschied) miteinander fortpflanzen, und der reine Größenunterschied lässt sich durch künstliche Besamung überwinden. Hundesperma plus Hunde-Eizelle ergibt eine fruchtbare Hunde-Zygote und schließlich einen Hund – unabhängig von der Rasse. Deswegen brauchen reinrassige Hunde einen Stammbaum, um zu sichern, dass ihre Vorfahren reinrassig waren. Wenn die verschiedenen Hunderassen verschiedene Arten wären, dann wäre das nicht notwendig.
In der Neuzeit ist deutlich geworden, dass Katzen ebenso formbar sind, aber die Katzenzüchter haben sich erst vor kurzem intensiver mit exotischen Katzen befasst. Dasselbe gilt für Rinder, Schweine, Ziegen, Schafe … und was ist mit Blumen? Die Anzahl der Varietäten von Gartenblumen ist immens.
Indem er die Entstehung von Hybriden vermeidet, kann der Züchter die individuellen Abwandlungen über viele Generationen hinweg bewahren. Kropftauben pflanzen sich mit Kropftauben fort und bringen (einen erheblichen Anteil von) Kropftauben hervor. Brieftauben, gepaart mit Brieftauben, haben (größtenteils) Brieftauben als Nachkommen. Die zugrunde liegende Genetik, von der Darwin und seine Zeitgenossen nichts wussten, ist kompliziert genug, um manchmal scheinbare Hybriden aus scheinbar reinrassigen Eltern entstehen zu lassen, wie auch zwei braunäugige Menschen trotzdem ein blauäugiges Kind haben können. Taubenzüchter müssen also die Hybriden ausmerzen.
Die Existenz dieser Kreuzungen erklärt an sich nicht, wie neue Arten aus eigenem Antrieb entstehen können. Varietäten sind keine Arten, zudem ist die ordnende Hand des Züchters nicht zu übersehen. Varietäten machen jedoch deutlich, dass es innerhalb einer Art eine Menge Wandelbarkeit geben muss. Die Wandelbarkeit ist sogar so groß, dass man sich ohne weiteres vorstellen kann, dass Zuchtwahl zu völlig neuen Arten führt, wenn genug Zeit zur Verfügung steht. Und das Vermeiden von Hybriden kann Varietäten von einer Generation zur nächsten bewahren, sodass ihre Charaktere (Biologensprache für die Eigenschaften, die sie kennzeichnen) erblich (Biologensprache für ›von einer Generation auf die nächste übertragbar‹) sind. Damit hat Darwin seine erste Zutat: erbliche Variation.
Die nächste Zutat war einfacher (wenn auch in manchen Kreisen immer noch umstritten). Es war Zeit. Unmengen von Zeit, die Tiefe Zeit der Geologen. Nicht ein paar tausend Jahre, sondern Millionen, Dutzende von Millionen … Milliarden sogar, obwohl man im viktorianischen Zeitalter noch nicht so weit gehen wollte. Die Tiefe Zeit, wie wir weiter oben schon bemerkt haben, widerspricht der biblischen Chronologie von Bischof Ussher, weshalb diese Idee unter gewissen christlichen Fundamentalisten noch umstritten ist, die absurderweise beschlossen haben, ihr Terrain an der schwächsten Stelle zu verteidigen, und das ohne jede Notwendigkeit. Die Tiefe Zeit wird von so vielen Beweisen gestützt, dass der wirklich engagierte Fundamentalist glauben muss, sein Gott versuche ihn vorsätzlich zu täuschen. Schlimmer noch, wenn wir dem, was wir mit eigenen Augen sehen, nicht trauen können, dann können wir auch dem bei Lebewesen sichtbaren Element eines ›Entwurfs‹ nicht trauen. Wir können auf überhaupt nichts vertrauen.
Lyell hatte erkannt, dass die Erde viele Jahrmillionen alt sein muss, als er die Sedimentgesteine betrachtete. Das sind Gesteine wie Kalk- oder Sandstein, die Schichten bilden und entweder unter Wasser als Schlammsedimente oder in Wüsten als Anhäufungen von Sand entstanden sind. (Unabhängige Beweise für diese Prozesse ergeben sich aus den Fossilien, die in solchen Gesteinen gefunden werden.) Indem er untersuchte, in welcher Geschwindigkeit sich moderne Sedimente ansammeln, und das mit der Dicke bekannter Sedimentgestein-Lagerstätten verglich, konnte Lyell die Zeit abschätzen, die für die Ablagerung der Gesteinsschichten notwendig gewesen war. Ein Zeitraum von ein- bis zehntausend Jahren brachte eine Schicht von etwa einem Meter Dicke hervor. Aber die Kalkklippen an der
Weitere Kostenlose Bücher