Darwin und die Götter der Scheibenwelt
zwei Eltern (wir wollen hier an zweigeschlechtliche Arten denken) eine größere Anzahl Nachkommen hervor. Ein Starenweibchen legt in seinem Leben ungefähr 16 Eier, und bei ›schrankenlosem‹ Wachstum würde sich die Starenpopulation in jeder Lebensspanne verachtfachen. Es würde nicht lange dauern, bis der ganze Planet knietief mit Staren bedeckt wäre. Es können also notwendigerweise von diesen 16 Nachkommen 14 (im Durchschnitt) nicht zur Fortpflanzung gelangen – für gewöhnlich, weil jemand sie frisst. Nur zwei werden ihrerseits Eltern. Ein Froschweibchen legt im Leben vielleicht 10 000 Eier, und fast alle kommen auf die eine oder andere groteske Weise um, bis zwei neue Eltern übrigbleiben; ein Kabeljauweibchen trägt mit etwa vierzig Millionen seiner Nachkommen zu den Nahrungsketten im Plankton bei, und wieder pflanzen sich nur zwei fort. Der Multiplikationsfaktor bei ›schrankenlosem‹ Wachstum betrüge hier 20 Millionen pro Lebensspanne eines Kabeljaus. Schrankenloses Wachstum ist als realistische Aussicht einfach nicht denkbar.
Wir vermuten, dass Malthus aus einem etwas albernen Grund auf das lineare Wachstum der Ressourcen verfiel. Die Mathematik in viktorianischen Schullehrbüchern unterschied zwei Haupttypen von Folgen: geometrische (exponentielle) und arithmetische (lineare). Es gibt eine Menge andere Möglichkeiten, aber die standen nicht in den Lehrbüchern. Nachdem er das geometrische Wachstum bereits den Organismen zugeordnet hatte, blieb Malthus für die Ressourcen nur das arithmetische übrig. Sein Grundgedanke hängt jedenfalls nicht von der tatsächlichen Wachstumsrate ab, solange die geringer ist als die exponentielle. Wie das Beispiel mit den Staren zeigt, sterben die meisten Nachkommen, ehe sie zur Fortpflanzung kommen, und das ist die Hauptsache.
Nachdem die meisten jungen Stare keine Eltern werden können, erhebt sich die Frage: Welche werden es? Darwin glaubte, dass diejenigen, die lange genug überleben, um sich fortzupflanzen, diejenigen sind, die fürs Überleben am besten geeignet sind, was nur logisch ist. Wenn ein Star besser Nahrung finden oder sie besser behalten kann als ein anderer, dann ist es klar, welchem es wahrscheinlich besser gehen wird, wenn das Nahrungsangebot begrenzt ist. Der bessere könnte Pech haben und von einem Habicht gefressen werden; aber im Durchschnitt der Population sind Stare, die besser zum Überleben geeignet sind, in der Regel diejenigen, die tatsächlich überleben.
Dieser Prozess der ›natürlichen Zuchtwahl‹ spielt de facto die Rolle eines äußeren Züchters. Er wählt gewisse Organismen aus und eliminiert die übrigen. Die Auswahl erfolgt nicht bewusst – es gibt kein Bewusstsein, welches die Wahl treffen könnte, und keinen vorgegebenen Zweck –, aber das Endergebnis ist sehr ähnlich. Der Hauptunterschied besteht darin, dass die natürliche Zuchtwahl sinnvolle Entscheidungen trifft, während die Zuchtwahl durch Menschen lächerlich sein kann (wie Hunde mit derart abgeplatteten Gesichtern, dass sie kaum zu atmen vermögen).
Sinnvolle Wahlentscheidungen führen zu sinnvollen Tieren und Pflanzen, solchen, die bestens an das Überleben in jedweder Umwelt angepasst sind, in der sie gerade lebten, als sie von der natürlichen Zuchtwahl geformt wurden.
Es ist wie das Züchten neuer Abarten von Tauben, aber ohne menschlichen Züchter. Die natürliche Zuchtwahl nutzt dieselbe Veränderlichkeit der Organismen wie das Taubenzüchten. Sie ist im typischen Fall viel langsamer als menschliche Eingriffe, aber die Zeitspannen sind so groß, dass diese geringe Geschwindigkeit kaum eine Rolle spielt. Erbliche Variation plus natürliche Auslese führen im Lauf der Tiefen Zeit unweigerlich zur Entstehung von Arten.
Die Natur tut das alles selbständig. Es bedarf keiner Folge spezieller Schöpfungsakte. Daraus folgt nicht, dass keine spezielle Schöpfung stattgefunden hat. Nur die logische Notwendigkeit dafür wird abgeschafft.
Paley irrte sich.
Die Uhren brauchen keinen Uhrmacher.
Sie können sich selbst machen.
DREIZEHN
Die Unendlichkeit ist ein wenig knifflig
Es war kurz nach halb fünf morgens, zu spät für den Snack und noch zu früh fürs Frühe Frühstück. Erzkanzler Ridcully joggte durch den grauen Dunst und sah Licht im Großen Saal. Er nahm seinen ganzen Mut zusammen für den Fall, dass Ponder Studenten dort drin hatte, und öffnete die Tür.
Einige Studenten waren zugegen. Einer schlief unter dem Kaffeehahn. Ponder Stibbons
Weitere Kostenlose Bücher