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Darwinia

Darwinia

Titel: Darwinia Kostenlos Bücher Online Lesen
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Grippe. Seine Visionen waren freundlich und nicht übernatürlich. Intimere Fragen bedurften eines Termins, und tatsächlich war seine Klientel in den zwei Monaten, seit er Eleanor begegnet war, um ein Beträchtliches angewachsen. Er war auf dem besten Wege, der Beichtvater für eine Generation alternder Erbinnen zu werden. Er machte sich ausführliche Notizen.
    Der Abend schleppte sich dahin und machte keine Anstalten, besonders rentabel zu werden: Nicht eben viel, was er diese Nacht ins Tagebuch schreiben konnte, dachte Vale. Dennoch, hier war sein Terrain. Nicht nur, um sein Einkommen aufzubessern, obwohl das sicherlich ein willkommener Nebeneffekt war. Er folgte einem tieferen Instinkt, der vielleicht nicht einmal ganz der seine war. Seine Gottheit wollte, dass er hier war.
    Und man tut, was eine Gottheit will, weil das ihrer Natur entspricht, überlegte Vale: Gehorsam zu verlangen. Das vor allem.
    Als er sich anschickte, den Heimweg anzutreten, bugsierte ihm Eleanor einen offensichtlich betrunkenen Mann in die Arme. »Dr. Vale? Das ist Professor Randall. Ich habe Sie doch sicher miteinander bekannt gemacht.«
    Vale schüttelte der weißhaarigen Eminenz die Hand. Wer von Eleanors gesammelten Akademikern und unbedeutenden Staatsdienern war das? Randall, ach, wohl jemand vom Museum für Naturgeschichte, ein Kurator… etwa Paläontologie? Die verwaiste Wissenschaft?
    »Bringen Sie ihn zu seinem Auto«, sagte Eleanor. »Seien Sie so nett, ja? Eugene, geh mit Dr. Vale. Ein paar Schritte durch den Park werden dir gut tun.«
    Die Nacht duftete nach Blüten und Tau, zumindest wenn der Professor Rückenwind hatte. Vale musterte seinen Begleiter, bildete sich ein, blasse Strukturen unter der Oberfläche von Randalls Körper zu sehen. Korallenartige Wucherungen von Alter (Haut wie Pergamentpapier, arthritische Gelenkknoten), die den Blick auf die Seele verstellten. Falls denn Paläontologen eine solche hatten.
    »Finch ist verrückt«, murmelte Randall, der irgendeinem Gespräch nachhing, »wenn er meint… wenn er meint, er könnte beweisen…«
    »Heute Abend gibt es nichts zu beweisen, Sir.«
    Randall schüttelte den Kopf und blinzelte Vale an, den er womöglich jetzt erst wahrnahm. »Sie? Ach. Sind Sie nicht der Wahrsager?«
    »Wie man es nimmt.«
    »Sie sehen die Zukunft, stimmt’s?«
    »Durch ein Fernglas«, sagte Vale. »Verschwommen.«
    »Die Zukunft der Welt?«
    »Mehr oder weniger.«
    »Wir reden über Europa«, sagte Randall. »Europa, das korrupte Sodom kopfüber ins Fegefeuer gestürzt. Also rupfen wir die Keimlinge des Europäerturns aus dem Boden, wo immer sie uns auffallen, was immer das soll. Maßlose Heuchelei natürlich. Eine politische Torheit. Möchten Sie Europa sehen?« Mit einem Schlenker der Hand deutete er auf die weißen Säulen des Landsitzes. »Da ist es! Der Hof von Versailles. Das könnte er sein.«
    Die Sterne waren hell und klar in dieser Frühlingsnacht. Seit kurzem gewahrte Vale eine gewisse Tiefe im Sternenhimmel, eine Staffelung, ein Zurücktreten, wie es Wälder und Wiesen taten, verschlungenes Dickicht, in dem Raubtiere lauerten. Wie da oben, so hier unten. »Dieser Schöpfer, von dem Männer wie Finch dauernd reden«, sagte Randall. »Man möchte ja daran glauben. Aber auf den Fossilien sind keine Fingerabdrücke. Eine Folge der Sintflut vermutlich.«
    So etwas hätte Randall nicht sagen dürfen. Im Kielwasser des Wunders hatte sich die öffentliche Meinung geändert und Männer wie Randall waren selbst so etwas wie lebende Fossilien – wollige Mammuts, eingesperrt im ewigen Eis. Natürlich konnte Randall als Knochensammler nicht ahnen, dass Vale Unbesonnenheiten sammelte.
    Wem würde es wie viel wert sein, was Randall über Preston Finch dachte? In welcher Währung würde er zahlen und wann?
    »Tut mir Leid«, sagte Randall. »Das wird Sie kaum interessieren.«
    »Im Gegenteil«, sagte Vale, während er mit seiner Beute in die taufrische Nacht hinausging. »Ich brenne vor Neugier.«

 
Kapitel Fünf
     
     
     
    Die Flachboden-Boote aus New York waren eingetroffen und wurden auf den Kanaldampfer Argus verladen. Guilford, Finch, Sullivan und Chuck Hemphill, der Landvermesser, beaufsichtigten das Beladen und nervten den Lademeister des Dampfers so lange, bis sie an den Pier verbannt wurden. Die Frühlingssonne badete die Holzplanken und weichte den Teer auf; am Pfahlwerk faulten Klumpen aus falschem Lotos; Möwen zogen ihre Kreise.
    Die Möwen waren die ersten terrestrischen

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