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Darwinia

Darwinia

Titel: Darwinia Kostenlos Bücher Online Lesen
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ich vermute, es ist nur auf Zeit. Nichts für ungut.«
    »Nichts für ungut, schade.«
    »Inzwischen müssen wir ein Kissen für mein müdes Haupt finden. Oder soll ich meine Sachen in der Diele verteilen. Kommt es vor, dass hier Klienten übernachten?«
    »Häufig. Was wissen Sie eigentlich von mir?«
    »Ein bisschen. Und Sie von mir?«
    »Gar nichts.«
    »Ach.«
    Vale machte einen letzten, verzweifelten Anlauf: »Gibt es denn in der Stadt kein Hotel…?«
    »Das ist nicht in ihrem Sinne.« Wieder dieses Grinsen. »In Freud und Leid, unsere Schicksalsfäden scheinen sich zu verheddern.«
     

     
    Das Erstaunliche war, Vale gewöhnte sich daran, dass Crane seine Mansarde in Beschlag nahm, etwa so wie man sich an eine chronische Migräne gewöhnt. Crane war ein rücksichtsvoller Gast, pingeliger als Vale, was Abdecken, Spülen und Aufräumen betraf, darauf bedacht, nur ja nicht zu stören, wenn Vale zahlende Kundschaft hatte. Er bestand tatsächlich darauf, dass Vale ihn mit zum Sanders-Moss-Salon nahm und als seinen ›Vetter‹ vorstellte, der von Beruf Finanzier war. Zum Glück schien Crane wirklich etwas von der Wall Street und vom Bankwesen zu verstehen, gerade so als sei er damit großgeworden. Wer weiß? Was seine Vergangenheit anging, so machte er lediglich Andeutungen über gewisse familiäre Beziehungen.
    Heute jedenfalls kehrten die Tischgespräche bei Sanders-Moss immer wieder zum Verlust der Finch-Expedition und dem drohenden Krieg zurück. Die Hearst-Blätter spekulierten über einen Krieg mit England, behaupteten Beweise zu haben, dass die Engländer die Partisanen mit Waffen belieferten und damit den Tod von Amerikanern in Kauf nahmen. Etwas, das Vale völlig egal war, nicht aber seiner Gottheit.
     

     
    Wenn sie beide in Vales Domizil waren, versuchte man sich gegenseitig zu ignorieren. Und wenn sie sich doch unterhielten – gewöhnlich nachdem Vale etwas getrunken hatte –, dann unterhielten sie sich über ihre Gottheiten.
    »Meine droht nicht bloß«, sagte Vale in einer weiteren kalten Nacht, da er mit Crane in der Falle saß und ein rauer Wind an den Flügelfenstern rüttelte. Tennessee-Whisky. Timor mortibus conturbat me. »Sie versprach, ich würde leben. Ewig, meine ich.«
    »Unsterblichkeit«, sagte Crane gelassen, während er mit dem Küchenmesser einen Apfel schälte.
    »Und bei Ihnen?«
    »Bei mir? Dasselbe.«
    »Und… glauben Sie daran?«
    Crane sah ihn komisch an. »Elias. Wann haben Sie sich zuletzt geschnitten – beim Rasieren, meine ich?«
    »Wie? Ich kann mich nicht erinnern.«
    »Lange her?«
    »Lange her«, gab Vale zu. »Wieso?«
    »Blinddarmentzündung, Grippe, Schwindsucht? Knochenbrüche, Zahnschmerzen, Niednagel?«
    »Nein, aber… was wollen Sie damit sagen?«
    »Sie kennen die Antwort, Elias. Sie trauen sich bloß nicht. Waren Sie nie in Versuchung – über dem Waschbecken, mit dem Rasiermesser in der Hand?«
    »Ich weiß nicht, was Sie meinen.«
    Crane spreizte die linke Hand auf die Tischplatte und setzte das Messer auf. Die dünnen Knochen knirschten, dann steckte die Klinge im Holz. Vale fuhr zurück und blinzelte.
    Crane zuckte kurz zusammen. Dann lächelte er. Er schloss die Faust um den Griff des Messers und zog die Klinge aus der Hand. Ein Tropfen Blut quoll aus der Wunde. Ein einziger. Crane tupfte ihn mit der Serviette weg.
    Die Haut darunter war glatt, rosa, unverletzt.
    »Christus«, hauchte Vale.
    »Verzeihen Sie, dass ich den Tisch beschädigt habe«, sagte Crane. »Aber jetzt wissen Sie, was ich meine.«

 
Kapitel Achtzehn
     
     
     
    AUS DEM TAGEBUCH VON GUILFORD LAW:
     
    Entschuldige meine Schrift. Das Feuer wärmt, aber das Licht taugt nicht zum Schreiben. Caroline, ich tröste mich mit dem Gedanken, du könntest diese Zeilen lesen. Ich hoffe, du musst nicht frieren, da wo du bist.
    Hier ist es relativ warm, gemessen an dem, was wir gewöhnt sind – zu warm vielleicht. Unnatürlich warm. Aber dazu muss ich ausholen.
     

     
    Heute früh sind wir zu unserer Exkursion ins Innere der Stadt aufgebrochen, Tom Compton, Dr. Sullivan und ich. Wir müssen einen komischen Anblick geboten haben (auf jeden Fall für Diggs) – in Felle gehüllt und weiß wie Pusteblumen, zwei, die hinken (der eine rechts, der andere links), ein Schlitten mit Proviant für vier Tage, den eine grunzende Wollschlange zog. ›Eine komische Nummer‹ eben, wie Digby meinte.
    Wir ignorierten die Sticheleien und ließen uns von unserem sechsbeinigen Schrittmacher tiefer in das

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