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Darwinia

Darwinia

Titel: Darwinia Kostenlos Bücher Online Lesen
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rituellen Zweck gedient hat, es muss von großer Bedeutung gewesen sein. Die Kuppel ist ein Wahrzeichen, und auf diesem Wendelgang herrschte vermutlich reger Verkehr.«
    »Verkehr?«
    »Die Erbauer der Stadt.«
    »Aber die sind doch ausgestorben«, sagte Guilford.
    »Ihr Wort in Gottes Ohr«, knurrte der Grenzer von weiter hinten.
     

     
    Der Abstieg nahm kein Ende. Nichts als die steinerne Rampe, die sich monoton in den bläulichen Nebel schraubte. Schließlich gab Sullivan auf, er war am Ende seiner Kräfte.
    »Wir brauchen«, keuchte er, »wir brauchen einfach mehr Männer.«
    Guilford fragte sich, wen Sullivan denn meinte. Keck? Robertson? Den einarmigen Digby?
    Tom blickte in die farblose Waschküche hinauf. »Wir sollten nicht lange warten. Das bisschen Tageslicht ist bald verschwunden.« Er warf einen skeptischen Blick auf Sullivan. »Wenn du verschnauft hast…«
    »Macht euch um mich keine Gedanken. Los, vorwärts! Umgekehrte Reihenfolge. Ich bin das Schlusslicht.«
    Er war bleich und schweißnass.
    Der Grenzer zuckte die Achseln und machte kehrt. Guilford tat es ihm nach. Jedes Mal, wenn sich die Leine zwischen ihm und Sullivan straffte, musste Tom auf Zuruf warten. Und das passierte laufend. Der Atem des Botanikers ging rasselnd, mit jeder Stufe keuchte er lauter. Nicht lange, und er fing an zu husten. Tom warf einen vielsagenden Blick über die Schulter und verlangsamte den Aufstieg. Sie kamen nur noch im Schneckentempo voran.
    Der Nebel wurde dichter. Bald konnte Guilford die gegenüberliegende Wand nicht mehr erkennen, die Steinstufen verschwanden hinter einem Vorhang aus Dampfschwaden. Jetzt bewährte sich das Seil, als selbst der breite Rücken eines Tom Compton zu einem vagen Schemen wurde.
    Mit den sichtbaren Anhaltspunkten ging auch die Orientierung verloren. Guilford hatte keine Ahnung, wie weit sie vorangekommen waren oder wie weit es noch bis oben war. Ist ganz egal, sagte er sich grimmig. Jeder Schritt bringt uns einen Schritt weiter. Das schlimme Bein tat jetzt höllisch weh, der Schmerz feuerte fadendünn aus der Wade ins Knie.
    Ich hätte nicht so weit runter gedurft, dachte Guilford, aber Sullivans Begeisterung hatte ihn angesteckt, die Aussicht auf eine ungeheuerliche Offenbarung irgendwo da unten. Er blieb für einen Augenblick stehen, schloss die Augen, spürte den kalten Luftstrom an sich vorüberstreichen. Da waren die mineralischen Gerüche von Granit und Nebel. Und noch etwas. Beinah wie Moschus. Nein, ganz anders.
    »Guilford!«
    Toms Stimme. Guilford hob einfältig den Blick.
    »Aufpassen!«, rief der Grenzer. »Wo stehen Sie denn da?«
    Er stand am Rand des Abgrunds. Ein Schritt, und er wäre in die Tiefe gestürzt.
    »Lassen Sie die linke Hand nicht von der Wand. Du auch, Sullivan.«
    Sullivan kam in Sicht, nickte wortlos. Er war ein Schemen, ein Geist, ein schlaksiges Gespenst.
     

     
    Guilford tastete sich hinter dem Grenzer voran, als ihm das Seil plötzlich die Taille abschnürte. Er schrie »Halt!« und drehte sich um.
    »Dr. Sullivan?«
    Keine Antwort. Das Seil ließ nicht locker. Es verschwand im Nebel.
    »Dr. Sullivan – alles in Ordnung?«
    Keine Antwort, nur der unnachgiebige Widerstand.
    Tom Compton kam aus dem Nebel gekraxelt. Guilford machte kehrt, lockerte das Seil und tastete sich zurück. Dabei spähte er angestrengt in das verhangene Dunkel.
    Er fand den Botaniker, der bäuchlings auf dem Granitsims lag, Sullivans Hand berührte noch die feuchte Steinwand.
    »Jesses!« Tom ließ sich auf die Knie fallen, wälzte Sullivan auf den Rücken und fühlte ihm den Puls.
    »Er atmet«, sagte der Grenzer. »So gut wie.«
    »Was ist mit ihm?«
    »Keine Ahnung. Er ist leichenblass und fühlt sich kalt an. Sullivan! Aufwachen, du Dickschädel! Wir müssen weiter!«
    Sullivan wachte nicht auf. Sein Kopf rollte auf die Seite. Aus einem Nasenloch sickerte Blut. Er sieht irgendwie geschrumpft aus, dachte Guilford benommen. Als habe ihm jemand die Luft rausgelassen.
    Tom nahm sein Bündel vom Rücken und stopfte es unter den Kopf des Botanikers. »Dämlicher Hund, nur ja nicht kürzer treten aus lauter Liebe zum Leben…«
    »Was machen wir jetzt?«
    »Ich überlege.«
     

     
    Alle Mühe war vergeblich, Sullivan wachte nicht auf.
    Tom Compton schaukelte grübelnd auf seinen Füßen, dann schulterte er sein Bündel und befreite sich aus dem Seil. »Zum Teufel damit. Hören Sie, Guilford, ich hole Decken und Proviant vom Schlitten. Dann hole ich Hilfe und Sie bleiben bei

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