Das 2. Buch Des Blutes - 2
Umstände zeigten jedoch seine Begeisterung für den kommenden Feiertag. Er machte die Zimmer seiner Töchter tadellos sauber. Er bezog ihre Betten mit süß riechender Wäsche. Er entfernte jedes Fleckchen Katzenblut aus dem Teppich. Er stellte sogar einen Christbaum im Wohnzimmer auf, behängt mit schillernden Kugeln, Lametta und Geschenken.
Hin und wieder, während er mit den Vorbereitungen zugange war, dachte Jack an das Spiel, das er spielte, und rechnete sich still die Nachteile aus. In den bevorstehenden Tagen würde er nicht nur sein Leiden, sondern auch das seiner Töchter gegen den möglichen Sieg abwägen müssen. Und immer, wenn er diese Berechnungen anstellte, schien die Chance des Sieges die Risiken aufzuwiegen.
Also fuhr er fort, sein Leben zu schreiben, und wartete.
Schnee stellte sich ein, sanftes Wattepochen gegen die Fenster, gegen die Tür. Kinder kamen, um Weihnachtslieder zu singen, und er war freigebig zu ihnen. Für eine kurze Zeitspanne war es möglich, an den Frieden auf Erden zu glauben.
Spätabends am dreiundzwanzigsten Dezember trudelten die Töchter ein, in einem Gestöber aus Koffern und Küssen. Die jüngere, Amanda, kam als erste. Aus seinem Beobachtungspo-sten auf dem Treppenabsatz taxierte das Geyatter erbost die junge Frau. Augenscheinlich nicht das ideale Material, um damit einen Zusammenbruch auszulösen. Genaugenommen wirkte sie bedrohlich. Gina folgte ein, zwei Stunden später; eine glatt-versierte Frau von Welt mit vierundzwanzig, die aufs Haar so einschüchternd wie ihre Schwester wirkte. Sie drängten ins Haus mit ihrer Hektik und ihrem Gelächter; sie stellten die Möbel um; sie beförderten alte Lebensmittel aus der Kühltruhe und gestanden einander (und ihrem Vater), wie sehr sie sich gegenseitig gefehlt hätten. Innerhalb weniger Stunden erstrahlte das bislang trist-graue Haus in den frischen Farben von Licht und Spaß und Liebe.
Das Geyatter wurde krank davon.
Wimmernd barg es den Kopf im Schlafzimmer, um sich gegen das Zuneigungsgetöse abzuschirmen, aber die Stoßwellen hüllten es ein. Ihm blieb nur übrig, dazusitzen, zuzuhören und seine Rache zu verfeinern.
Jack freute sich, seine Schönen daheim zu haben. Amanda so engagiert und so stark wie ihre Mutter. Gina mehr wie seine Mutter: ausgeglichen, scharfsichtig. Die Gegenwart der beiden machte ihn so glücklich, daß er hätte weinen können. Und was tut der stolze Vater? Setzt sie beide einem solchen Risiko aus.
Aber gab es eine Alternative? Wenn er die Weihnachtsfeier ausfallen ließ, würde das äußerst verdächtig wirken. Es würde womöglich seine ganze Strategie zu Fall bringen und den Feind auf das Manöver aufmerksam machen, das gegen ihn im Gange war.
Nein, er mußte eisern die Stellung halten. Den Dummen spielen, sich weiter so verhalten, wie es der Feind nachgerade von ihm erwartete.
Die Zeit zum Handeln würde kommen.
Am Weihnachtsmorgen um drei Uhr fünfzehn eröffnete das Geyatter die Feindseligkeiten, indem es Amanda aus dem Bett warf. Eine windige Nummer bestenfalls, aber sie hatte den gewünschten Effekt. Verschlafen rieb sie ihren angeschlagenen Kopf und kletterte zurück ins Bett, nur um zu erleben, daß dieses wie ein ungezähmtes Fohlen hochbockte, sich schüttelte und sie wiederum abwarf.
Der Lärm weckte die ändern im Haus. Gina war als erste im Zimmer ihrer Schwester.
»Was ist los?«
»Es ist jemand unterm Bett.«
»Was?«
Gina griff sich einen Briefbeschwerer vom Toilettentisch und forderte den Angreifer auf herauszukommen. Das Geyatter saß, unsichtbar, auf der Bank unterm Fenster, machte obszöne Gebärden zu den Frauen hin und band sich Knoten in die Genitalien.
Gina schaute unters Bett. Das Geyatter klebte jetzt am Beleuchtungskörper, brachte ihn dazu, hin und her zu schwin-gen, und ließ so das Zimmer in Taumel geraten.
»Daist nichts.«
»Doch.«
Amanda wußte Bescheid. O ja, sie wußte Bescheid.
»Irgendwas ist hier, Gina«, sagte sie. »Irgendwas ist hier bei uns im Zimmer, da bin ich ganz sicher.«
»Nein.« Gina war kategorisch. »Es ist leer.«
Amanda suchte gerade hinterm Kleiderschrank nach, als Polo eintrat.
»Was war ‘n das für ‘n Gerumpel?«
»Irgendwas ist im Haus, Daddy. Hat mich aus dem Bett geworfen.«
Jack sah die zerdrückten Bettlaken, die verschobene Matratze, dann Amanda an. Dies war der erste Test: Er mußte so unverkrampft lügen wie möglich.
»Hast wahrscheinlich schlimm geträumt, meine Schöne«, sagte er und trug ein
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