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Das 2. Buch Des Blutes - 2

Das 2. Buch Des Blutes - 2

Titel: Das 2. Buch Des Blutes - 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clive Barker
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sie ihm zuschrie, rauszugehn, alles sein zu lassen.
    Aber es machte ihm Spaß, direkter, unverblümter gegen den Feind zu spielen, als er sich’s je zuvor erlaubt hatte. Er wollte nicht aufgeben.
    Er wollte, daß sich der Dämon zeigte, seine Identität preisgab, sich genau zu erkennen gab.
    Er wollte zum ersten und letzten Mal die Konfrontation mit dem Abgesandten des Alten.
    Ohne Vorwarnung gab der Baum den Gesetzen der Fliehkraft nach und explodierte. Der Lärm glich einem Geheul des Untergangs. Zweige, Ästchen, Nadeln, Kugeln, Kerzen, Draht und Bänder flogen durchs Zimmer. Jack, mit dem Rücken zur Explosion, spürte, wie ihm der Energieschwall einen schweren Schlag versetzte, und wurde zu Boden geschleudert. Sein Nacken und seine Kopfhaut wurden über und über mit Kiefernnadeln gespickt. Ein Zweig, des Grüns entkleidet, schoß an seinem Kopf vorbei und durchbohrte das Sofa. Baumbruchstücke prasselten um ihn herum auf den Teppich.
    Jetzt überschritt die Zentrifugalkraft die Belastbarkeit der anderen Gegenstände im Raum, und sie zerplatzten wie der Baum. Der Fernseher explodierte und sandte eine todbringende Welle Glas durchs Zimmer, von der sich ein Großteil in die gegenüberliegende Wand grub. Bruchstücke aus dem Innern des Fernsehers, die so heiß waren, daß sie die Haut versengten, fielen auf Jack, als er wie ein Soldat beim Bombeneinsatz zur Tür robbte.
    So dicht war der Scherbenhagel im Zimmer, daß er wie ein Nebel wirkte. Die Sitzkissen steuerten ihre Daunen zu der Szene bei; sie schneiten auf den Teppich. Porzellantrümmer ein schönglasierter Arm, der Kopf einer Kurtisane - prallten vor seiner Nase auf den Boden.
    Gina kauerte bei der Tür, die Augen wegen des Geprassels zu Schlitzen verengt, und drängte ihn flehentlich, sich zu beeilen.
    Als Jack die Tür erreichte und ihre Arme um sich spürte, hätte er schwören können, im Wohnzimmer jemand lachen gehört zu haben. Ein schallendes, deutlich vernehmbares Gelächter, satt und zufrieden.
    Amanda stand in der Halle, das Haar voll Kiefernnadeln, und starrte ihn an, während er die Beine über die Türschwelle zog, und Gina warf die Tür gegen das Zerstörungswerk ins Schloß.
    »Was ist es, sag!« wollte sie wissen. »Ein Poltergeist? Ein Gespenst? Mutters Gespenst?«
    Die Vorstellung, seine tote Frau solle für eine derartige Mas-senvernichtung verantwortlich sein, kam Jack reichlich komisch vor.
    Amanda lächelte andeutungsweise. Gut, dachte er, sie rappelt sich schon wieder hoch. Dann begegnete er dem abwesenden Blick in ihren Augen und war eines anderen belehrt. Sie war innerlich gebrochen, ihr gesunder Verstand hatte dort Zuflucht gefunden, wo ihm diese Phantasmagorie nichts anhaben konnte.
    »Was ist da drinnen?« fragte Gina und drückte seinen Arm so fest, daß es ihm das Blut abschnürte.
    »Ich weiß es nicht«, log er. »Du, Amanda?«
    Amandas Lächeln war wie gefroren. Sie starrte ihn nur weiter an, durch ihn hindurch.
    »Freilich weißt du’s.«
    »Nein.«
    »Das ist gelogen.«
    »Ich glaub…«
    Er raffte sich vom Boden auf und wischte sich die Porzellanscherben, die Federn und das Glas von Hemd und Hose.
    »Ichglaub’… ich geh’ jetzt erst mal spazieren.«
    Hinter ihm, im Wohnzimmer, war das letzte Gewinsel verstummt. Die Luft in der Eingangshalle vibrierte von unsichtbaren Präsenzen. Es war ganz dicht bei ihm, unsichtbar wie immer, aber ganz, ganz nah. Dies war der gefährlichste Zeitpunkt. Er durfte jetzt nicht die Nerven verlieren. Er mußte standhalten, als ob nichts geschehen wäre; er mußte Amanda in Ruhe lassen, Erklärungen und Vorwürfe unterdrücken, bis alles ganz vorbei und aus der Welt war.
    »Spazieren?« sagte Gina und wollte es nicht glauben.
    »Ja… spazieren… Ich brauch’ etwas frische Luft.«
    »Du kannst uns unmöglich hier allein lassen!«
    »Ich hol’ jemand, der uns beim Aufräumen hilft.«
    »Und was ist mit Mandy?«
    »Die fängt sich schon wieder. Laß sie nur gehen.«
    Das war hart. Das war fast unverzeihlich. War aber jetzt nicht mehr rückgängig zu machen.
    Schwankend schritt er auf die Haustür zu, ihm war ganz übel nach so viel Herumgekreisel.
    Gina hinter ihm geriet in Rage. »Du kannst doch nicht einfach weggehen! Du bist wohl verrückt geworden?«
    »Ich brauche frische Luft«, sagte er so beiläufig, wie sein hämmerndes Herz und sein ausgedörrter Hals es zuließen.
    »Ich geh’ bloß auf ‘nen Sprung nach draußen.«
    Nein, sagte das Geyatter. Nein, nein, nein.
    Es war ihm

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